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Kanzlerin Ein Nachschlagewerk, ein Lexikon über Angela Merkel. Ist das jetzt Merkiavellismus? Oder was?Die Prinzipientreue

Nach zahlreichen Biografien über Angela Merkel und Monografien über ihre Politik erscheint nun noch ein Lexikon. Ist das nur byzantinischer Akademismus, sozusagen die Nobilitierung von Angela Merkel zum Merkelismus? Mitnichten. Das knapp 500 Seiten starke Lexikon von Andreas Rinke, Korrespondent der Nachrichtenagentur Reuters, ist ein ebenso gediegenes wie verlässliches Werk.

Wer sich nicht auf Gerüchte und Vorurteile verlassen will, ist mit Rinkes Buch bestens bedient. Mit rund 300 Stichworten von „Abschottung“ bis „Zwei-Wort-Politik“ informiert er über das, was Angela Merkel sagte oder sagen ließ mit 1.200 präzisen Quellenangaben. Rinke verfolgt Merkels Auftritte seit über zehn Jahren und verfügt über eine Quellenbasis, die Biografen kaum haben. Beliebte Gemeinplätze wie den von der zaudernden, alles aussitzenden Kanzlerin kann er als Vorurteil kenntlich machen. Da das Lexikon auf Selbstzeugnissen beruht, kommen die Stärken der Kanzlerin mehr zur Geltung als ihre Schwächen (Griechenland, Afghanistan, Banken u. a. m.). Der Autor ist kein Meinungsathlet. Er stützt sich außer auf schriftliche Quellen und Auftritte von Angela Merkel auf Hintergrundgespräche.

Weit herum wurde Merkels couragierter Einsatz für die Flüchtlinge 2015 als unüberlegt oder Mitleidsgeste interpretiert. Rinke weist darauf hin, dass Merkel 1993 – noch keine zwei Jahre im Amt als Jugend- und Familienministerin – entschieden für das Asylrecht eintrat, das unter dem Druck der Flüchtlinge aus Exjugoslawien von einer ganz großen Koalition von SPD bis CSU mit einer Aushöhlung der Artikels 16 GG vernichtet wurde. 2015 reagierte sie wie 1993 und blieb sich treu. Rinkes These: Wenn man genau hinschaut, ist Angela Merkel keine „Sphinx“, sondern eine erstaunlich grundsatzfeste Politikerin. So entsteht ein nuanciertes Bild der Kanzlerin, die für abrupte Richtungsänderungen in ihrer Politik (Atomausstieg) ebenso steht wie für Prinzipientreue (Euro, Schuldenbremse, Asylpolitik) und geduldiges Lavieren.

Im Umgang mit der AfD setzte sie gegen innerparteiliche Gegner (Lummer, Althaus) durch, dass mit dieser Partei weder koaliert noch kooperiert wird. Mit gleicher Härte betrieb sie den Parteiausschluss von Peter-Michael Diestel, weil der mit der Linken kooperieren wollte. Zu ihrer Herkunft aus der DDR hat Angela Merkel ein abgeklärtes Verhältnis. Das unterscheidet sie von jenen Konservativen, die das Stasi-Archiv als Munitionsdepot für politische Kampagnen aller Art instrumentalisieren. Als Springer-Journalisten Gerüchte über ihre DDR-Vergangenheit lancierten, verzichtete sie demonstrativ nicht nur auf gerichtliche Klagen, sondern auch auf die Konsultation des weitgehend vergifteten Aktenmülls der Stasi.

Die fragile Balance in der EU zwischen der Gleichberechtigung der Mitglieder und der wirtschaftlichen Stärke der BRD erkannte sie schon 1995: „Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns international nicht dadurch ins Abseits stellen, dass wir allen sagen, wie es geht.“

Das Lexikon ist eine Fundgrube für eine faire Beurteilung der Kanzlerin, die dem Bling-Bling-Präsidenten Nicolas Sarkozy gestanden hat: „Nicolas, im Vergleich mit Dir bin ich eine Energiesparlampe.“

Rudolf Walther

Andreas Rinke: „Das Merkel Lexikon. Die Kanzlerin von A-Z“. Zu Klampen, Springe 2016, 447 S., 24,80 Euro

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