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„Kanther will sich über die Runden retten“

■ Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) würde für eine wirkliche Reform des Beamtenrechts sogar die Verfassung ändern. Er will Beamte auch als Teilzeitkräfte beschäftigen

taz: Herr Eichel, einige Ihrer Genossen werfen dem Innenminister vor, er operiere in seinem Versorgungsbericht mit falschen Zahlen. Was ist das Problem an Kanthers Papier über die Alterssicherung von Beamten?

Hans Eichel: Die Berechnungen sind sicher ein Problem. Innenminister Kanther spricht von 161 Milliarden DM für Beamtenpensionen im Jahr 2040; ich kenne Berechnungen, die – wenn nichts geschieht – auf eine Belastung in Höhe von 240 Milliarden DM hinauslaufen. Doch das ist nur die eine Seite, die andere ist: Kanther will keine wirkliche Reform des Beamtenrechts, er will sich mit kleineren Korrekturen über die Runden retten. Aber das verfehlt die Aufgabe, die uns jetzt gestellt ist.

Will auch Hessen die Alimente an die Staatsdiener kürzen oder sie wenigstens an ihrer Altersversorgung beteiligen?

Es geht nicht darum, die Besoldung der Beamten zu kürzen. Ich bin gegen Sonderopfer im öffentlichen Dienst insgesamt und auch bei den Beamten. Worum es geht, sind grundsätzliche Korrekturen, an die der Bundesinnenminister aber offenbar nicht heran will. Erstens: Ich sehe nicht ein, warum Beamte nicht ebenso auf Teilzeitbasis angestellt werden können wie Angestellte. Und zweitens: Wir brauchen die Besetzung von Führungspositionen auf Zeit, nicht unbedingt auf Lebensarbeitszeit. Das hat Konsequenzen bei der Pensionsberechtigung.

Die Verfassung schreibt aber mehr oder weniger explizit vor, daß Beamte nicht selbst für ihr Alter vorsorgen müssen. Das heißt, Sie müßten ans Eingemachte und die sogenannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ändern?

Natürlich muß man dann auch an Grundsätze heran. Es gibt doch gar keinen Zweifel, wir brauchen ein sehr viel flexibleres Beamtenrecht. Immer nur zu klagen, der Staat arbeite nicht effizient genug, reicht doch nicht aus. Die Beamten können nichts dafür, sondern müssen dafür büßen, wenn kein modernes Dienstrecht geschaffen wird.

Sollen das heißen, daß eine Verfassungsänderung schon vom Tisch ist?

Ich weiß nicht, ob eine Verfassungsänderung schon vom Tisch ist. Auch darüber wird man gegebenenfalls noch einmal mit allen Beteiligten reden müssen. Aber im Moment ist das nicht unser Thema. Vieles ist auch im Rahmen des geltendes Rechts möglich.

Haben Sie die Ministerpräsidenten da auf Ihrer Seite?

Selbstverständlich. Meine sozialdemokratischen Kollegen auf jeden Fall.

Der Tausch hingebungsvolle Verfassungstreue gegen Alimente und Lebenszeitstellung macht bei Staatsdienern nicht nur historisch Sinn. Wie kann man verhindern, daß nach einer Verfassungsänderung unbequeme Beamte allzuleicht vor dem Problem des Rauswurfs stehen? Die Erfahrung mit politischen Beamten stimmen da nicht sehr froh.

Es geht doch gar nicht darum, sich von unliebsamen Beamten zu trennen, das geht schon arbeitsrechtlich nicht. Bei der Frage beispielsweise, Führungspositionen auf Zeit zu vergeben, geht es doch um etwas ganz anderes. Es muß doch nicht sein, daß eine Lehrerin beispielsweise im Alter von 35 Jahren Schulleiterin wird und dies mit 63, also nach fast 30 Jahren, immer noch sein muß. Da brauchen wir mehr Flexibilität. Das ist keine Frage von bequem oder unbequem. Interview: Christian Füller

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