piwik no script img

Kanther setzt Wendland unter Wasser

■ Der Atommülltransport aus La Hague ist in Gorleben angekommen. 20.000 PolizistInnen begleiteten ihn

Gorleben/Berlin (taz) – Mit dem größten Polizeieinsatz der jüngeren deutschen Geschichte hat die Bundesregierung gestern einen Container mit Atommüll ins Zwischenlager nach Gorleben geschafft. Rund 20.000 Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz waren am Dienstag und Mittwoch an der Transportstrecke von Landau in der Pfalz bis zum Zwischenlager in Gorleben im Einsatz. Gestern brauchten sie im Wendland gut sechs Stunden, um den Container mit Atommüll vom Bahnhof in Dannenberg 18 Kilometer weit zum Zwischenlager Gorleben zu schaffen – eine Stunde länger als beim Castor-Transport im vergangenen Jahr.

Dafür war der Polizeieinsatz diesmal erheblich brutaler. Die Zahl der geschwungenen Polizeiknüppel war Legion, kubikmeterweise wurde Wasser auf Tausende Demonstranten gespritzt, die sich dem Atomtransport in den Weg stellten. 31 Demonstranten mußten mit Verletzungen ins Krankenhaus, sechs stationär behandelt werden. Eine Frau ist nach dem Polizeieinsatz schwer verletzt. Ein Polizeisprecher nannte es „Krieg“. Augenzeugen berichteten von vereinzelten Stein- und Flaschenwürfen der Demonstranten. Die Polizei meldete zehn leichtverletzte Beamte.

Aus Bonn diagnostizierte CDU-Generalsekretär Peter Hintze „hemmungslose Gewalt gegen Menschen und Sachen“ bei den Demonstranten. Rechtsanwalt und FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle stellte nach dem massiven Polizeieinsatz fest: „In diesem Land regiert nicht das Faustrecht.“

SPD und Grüne sahen die Provokation gestern auf der anderen Seite. Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) suche mit den Atomtransporten offenbar die Konfrontation, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD, Michael Müller. Der Sprecher der Bündnisgrünen, Jürgen Trittin, nannte die Wasserwerfer- und Knüppeleinsätze „brutal und unverhältnismäßig“. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) sei „der größte Berufschaot“. Am Dienstag hatte Kanther angeordnet, den Demonstranten „mit größter Entschiedenheit entgegenzutreten“. Der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg, Wolfgang Ehmke, wertete die Blockaden gestern als „Erfolg. Ich glaube nicht, daß es einen dritten Transport gibt“, sagte Ehmke der taz.

Im Landtag in Hannover durfte Umweltministerin Monika Griefahn nach einem Bericht des ZDF nicht das Wort zum Atommülltransport ergreifen. Statt dessen sprachen Ministerpräsident Gerhard Schröder und Innenminister Gerhard Glogowski, der zuvor die Polizei zum harten Durchgreifen gegen die Demonstranten ermutigt hatte. Die Landtagsabgeordneten der Bündnisgrünen duschten derweil in Gorleben. ü.o./ten Seiten 3 und 10

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen