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Kann die AL Atomstrom stoppen?

■ Wird der Stromverbund von der Bewag mit Preußen Elektra zur Sollbruchstelle der Koalition? / Bewag macht Druck / AL-Umweltsenatorin Schreyer und Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD) wollen über bereits abgeschlossenen Stromvertrag beraten

Die AL-geführte Senatsumweltverwaltung wolle eine „grundlegende Überprüfung“ des Stromlieferungsvertrages zwischen Bewag und Preußen Elektra, versicherte gestern Umwelt-Staatssekretär Klaus Groth. Gegenüber Wirtschaftssenator Mitzscherling (SPD) will die Umweltverwaltung „sehr deutlich machen“, daß die Koalitionsvereinbarungen an diesem Punkt einzuhalten seien. „Niemand soll durch ein bestimmtes Verfahren überfahren werden“, versicherte demgegenüber Mitzscherlings Staatssekretär Rommerskirchen.

Obgleich Umweltsenatorin Schreyer laut Koalitionsvereinbarung für die Energiepolitik mitverantwortlich ist, hat Mitzscherling ihr den Text des Vertrages bislang nicht ausgehändigt. „Kein böser Wille“ stecke dahinter, versicherte Rommerskirchen. Man werde den Vertrag an Schreyer überstellen, sich „zusammensetzen“ und „gemeinsam“ das weitere Vorgehen klären. Ob der Vertrag überhaupt kündbar ist und wie hoch etwaige Schadensersatzforderungen ausfallen könnten, soll neben Mitzscherling auch die Umweltverwaltung prüfen können.

Mehr als diese rechtliche Prüfung wollte Umweltstaatssekretär Groth gestern vorerst nicht versprechen. In der AL wird die Angelegenheit als mögliche „Sollbruchstelle“ der Koalition gehandelt, da die geplanten Lieferungen westdeutschen Atomstroms das Stromsparen in Berlin stark behindern könnte. Schon während der Koalitionsverhandlungen hatten energiepolitische Initiativen heftig protestiert, nachdem die SPD von ihrer anfänglichen Ablehnung des „Stromverbundes“ wieder abgerückt war. SPD und AL hatten dann immerhin vereinbart, den Vertrag zu „prüfen“ und ihn „gegebenenfalls“ auch zu kündigen oder zu modifizieren. Sollte der Senat nicht aus dem Vertrag aussteigen, fordert die Vereinbarung eine „umfassende“ Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die 380-Kilovolt -Stromleitung durch Spandau.

Selbst der SPD-Abgeordnete Behrendt ist über seinen Wirtschaftssenator jetzt „ein bißchen erschrocken“. Der Grund: Mitzscherling hatte sich öffentlich hinter eine von der Bewag geplante Ausstellung zu dem Leitungsbau gestellt. Die Bewag will die Ergebnisse einer von ihr organisierten UVP ab dem 17. April in ihrer Spandauer Beratungsstelle ausstellen. Am 25. April soll eine Bürgeranhörung im ICC folgen. Die Bewag-UVP war jedoch in der Vergangenheit von SPD und AL scharf kritisiert worden. Der von der Bewag beauftragte Obergutachter ist zu der Empfehlung gekommen, die Leitung nur unter der Havel als Kabel zu führen. Für die restliche Strecke sei eine - billigere - Freileitung ausreichend. „Das deckt sich mit unserer Vorstellung“, sagte gestern Bewag-Sprecher Möller. „Natürlich nicht zufrieden“ ist dagegen Spandaus Baustadtrat Jungclaus (SPD). Die 380 -Kilovolt-Leitung sollte zusätzlich zumindest im Wohnviertel Haselhorst unter die Erde, meinte Jungclaus gestern.

„Das kann nur ein Zwischenergebnis sein“, kommentierte gestern auch der SPD-Abgeordnete Behrendt die Bewag-UVP. „Mindestens über eine Vegetationsperiode“, so der SPD -Abgeordnete, müßte eine „echte und umfassende UVP“ angelegt sein. Keine „Präjudizierung“ sei mit der Bewag-Ausstellung verbunden, versicherte Rommerskirchen gestern. Selbst Umwelt -Staatssekretär Groth wollte weitere Umweltstudien gestern jedoch nicht fest zusichern. Die Bewag fürchtet unterdessen um ihren Zeitplan. Der Erstbelieferungstermin 1992 sei bei weiteren Verzögerungen „natürlich gefährdet“, warnte Bewag -Sprecher Möller. Es drohten dann Vertragsstrafen.

Ist der Vertrag nicht kündbar, denkt Groth daran, Kraftwerke in Berlin stillzulegen. Gegen solche Ideen, wie sie schon CDU-Wirtschaftssenator Pieroth hatte, gibt es aber selbst im mittleren Bewag-Management Bedenken, heißt es. Wenn eben erst umwelt-modernisierte Anlagen stillgelegt und abgeschrieben werden, schlägt sich das nämlich ebenso negativ in der Bewag-Bilanz nieder, wie hohe Schadensersatzzahlungen an die Preußen Elektra.

hmt

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