Kandidatur trotz Listenplatz-Schlappe: Özdemir nur kurz beleidigt
Trotz seiner Niederlage bei der Bewerbung um einen Listenplatz auf dem baden-württembergischen Parteitag möchte Cem Özdemir Chef der Grünen werden. Doch er ist beschädigt.
Der Kandidat bleibt Kandidat, wenn auch ein gekränkter. Cem Özdemir teilte am Montag auf seiner Homepage mit, er wolle sich weiterhin auf dem Grünen-Parteitag im November in Erfurt für das Amt des Parteivorsitzenden bewerben. Am Wochenende hatte ihm der Parteitag seines Landesverbands Baden-Württemberg einen Listenplatz zur Bundestagswahl verweigert.
Der Trost und Zuspruch, den Özdemir seither einfuhr, hat aber gereicht: "Ich habe in meinem politischen Leben gelernt, dass es sich lohnt, zu kämpfen und sich von Rückschlägen nicht beirren zu lassen", so Özdemir. "Das Ergebnis des Landesparteitages in Baden-Württemberg muss ich akzeptieren." Diese Nachricht löste beim Parteirat in Berlin große kollektive Erleichterung aus. "Ich habe mich persönlich darüber gefreut, dass Cem sich nicht aus dem Konzept bringen lässt", erklärte Noch-Parteichef Reinhard Bütikofer.
Mühsam genug war die Suche nach einem Nachfolger für ihn auf dem Realoplatz neben der linken Parteichefin Claudia Roth gewesen. Das Bild, wie ein erschütterter Özdemir mit seinem Rucksack wortlos den Parteitag verließ, hatte sämtlichen Befürchtungen Nahrung gegeben, er sei nicht eben eine geborene Führungskraft. Sogar das Gerücht, wonach Fraktionschef Fritz Kuhn im Zweifel als Parteichef bereitstehe, tauchte wieder auf. Kuhn hatte Özdemir auf dem Parteitag recht auffällig nicht unterstützt.
Beflügelt von guten Listenplätzen für ihre eigenen Leute, bliesen einige baden-württembergische Linke bereits zur ganz großen Attacke. "Es könnte sein, dass Cem Özdemir auch auf Bundesebene ein Desaster erlebt", sagte der Tübinger Winfried Hermann der taz. Die Realos sollten "besser noch einmal klug darüber nachdenken, ob Özdemir das überzeugende Angebot an die Gesamtpartei ist". Immerhin sei Özdemir nicht nur gegen ihn auf Listenplatz sechs unterlegen, sondern auch auf Platz acht gegen den Mit-Realo Alex Bonde.
Doch Özdemir jetzt weiter zu beschädigen, könnte den Linken schwer auf die Füße fallen, befanden andere. Der Landesverband Baden-Württemberg verabschiedete eine einstimmige Erklärung für Özdemir. Die Linke Sylvia Kotting-Uhl sagte, sie freue sich ehrlich über Özdemirs Kandidatur. "Man hat ihn wohl schlecht beraten. In einem Landesverband, in dem die Trennung von Amt und Mandat immer wieder bestätigt wurde, musste man eine Niederlage für möglich halten", sagte sie der taz.
Die Nordrhein-Westfälin Bärbel Höhn erklärte, Özdemir werde in Erfurt "wenn, dann sogar ein besseres Ergebnis erhalten". Der Linke Christian Ströbele sagte, "Özdemirs Chancen haben sich nicht verändert". Zwar sei für Claudia Roth die Trennung von Amt und Mandat aufgehoben worden. Doch zeige Roths Beispiel ja, dass dies nicht zu mehr Parteieinfluss in der Fraktion führe.
Özdemir hatte argumentiert, er wolle wie Roth auch per Mandat in der Fraktion verankert sein, zumal ihm dies die Verfügung über zusätzliche Mitarbeiter garantiere. Die sächsische Fraktionschefin Antje Hermenau erklärte am Montag, sie werde auf dem Bundesparteitag fordern, die Ressourcen des Bundesvorstands aufzustocken. Unterstützt wurde sie von Parteichef Bütikofer: "Nur eine starke Parteizentrale kann das Gewicht der Basis geltend machen." Er selbst, meinte er, könne aber nicht sagen, dass ihm ohne Bundestagssitz "etwas gefehlt hat".
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