: „Kampf–Saufen“ auf der Polizeiwache
■ Ein Mordprozeß gegen zwei Polizisten fördert merkwürdige Gewohnheiten aus dem Sozialleben einer Polizeiwache zutage / Die Angeklagten sollen nach dem Kampf–Saufen einen Arbeitslosen beraubt und ermordet haben / Vorwürfe werden heruntergespielt
Th. Bennewitz u. C. Kawaters
Düsseldorf (taz) - Ermittlungen gegen die Polizisten der Wache Düsseldorf–Garath wegen Vorfällen wie regelmäßigem „Kampf– Saufen“ sind das Zwischenergebnis eines Mordprozesses gegen zwei Polizisten. Die Enthüllungen über die polizeiinternen Trunkenheitsorgien haben den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens, das nach den Gerichtsferien morgen weitergeht, aus der Öffentlichkeit vorübergehend verdrängt. Die beiden Polizisten sollen unter Ausnutzung ihrer polizeiinternen Kenntnisse über dessen Homosexualität einen 53jährigen Arbeitslosen in einen einsamen Waldweg gelockt haben, um ihn auszurauben und gemeinsam zu ermorden. Ihre Beute: 30 Mark und 37 Pfennige. Vor Gericht beschuldigten sich die beiden gegenseitig, das Opfer erwürgt beziehungsweise ihm das Genick gebrochen zu haben. Doch diese Anschuldigungen gerieten während der letzten Verhandlungstage geradezu in Vergessenheit. Die Verteidigung der Angeklagten macht nämlich deren Alkoholabhängigkeit geltend, die in ihrer Dienststelle, der Polizeiwache in Düsseldorf–Garath, entstanden und gefördert worden sein soll. Regelmäßiges „Kampf– Trinken“, bei den Punks auch „Koma–Saufen“ genannt, soll die Regel gewesen sein. Auch Sex– Orgien sollen im Sozialraum der „fidelen Wache“ (Rheinische Post) gefeiert worden sein. Der für die Wache in Garath zuständige Vorgesetzte, Polizeioberrat (POR) Volker Kurth, behauptete vor Gericht zunächst: „Das ist schlicht falsch.“ Falsch daran soll allerdings hauptsächlich Kurths Aussage sein; ein Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft ermittelt noch in Sachen „Wache Garath“. Inzwischen haben sich Polizisten gemeldet, die nicht nur vom Kampf–Saufen berichten, sondern auch, daß danach Polizisten in Unterhose nach Hause gewankt und Festgenommene bestohlen worden seien. Ein Abschleppunternehmer war gern gesehener, spendabler Gast, und Kollegen hätten ihren Führerschein wegen Trunkenheit im Dienst verloren, so heißt es aus Polizeikreisen. Dies alles sei dem POR Kurth bekannt gewesen. Der wiederum kann bezeugen, daß er einen an ihn gerichteten Brief, in dem diese Geschichten aufgezählt waren, selbst nicht erhalten hat. Polizeipräsident und Presse sprecher der Düsseldorfer Polizei halten ihren Männern die Stange: „Wer je den Polizeidienst mit seinem Streß und all den Anfeindungen mitgemacht hat, kann verstehen, wenn die Kollegen gelegentlich nach Dienstschluß, insbesondere nach dem Nachtdienst, wenn alle Lokale geschlossen haben, Bedürfnis nach Entspannung und Aussprache haben.“ Und weil „der Polizeidienst kein Bürodienst zwischen 8 und 18 Uhr“ ist, wird „die Einrichtung von Sozialräumen wohlwollend gefördert. Daß runde Geburtstage und Jubiläen dort auch gefeiert worden sind, sollte nicht als Mißstand gewertet werden.“ (O–Ton, Polizeipräsident Düsseldorf, Dr. Lisken) Ähnlich klingt auch die Erklärung des ermittelnden Oberstaatsanwalts Ruhland gegenüber der taz: Die Vorkommnisse seien nur behördenintern zu werten, „kein Vergleich mit der Altstadtwache“. (Vor etwa zwei Jahren stellte sich heraus, daß dort Penner und Betrunkene geprügelt und gequält worden waren, die taz berichtete.) Sämtliche Vorwürfe werden heruntergespielt: Der Abschleppunternehmer, beispielsweise, sei nur gelegentlich bei den Saufereien dabeigewesen, als „alter Garather“ den Anwesenden privat bekannt, bei den „Sex–Parties“ hätten halt nur mal die Ehefrauen mitgefeiert, der Abgang in Unterhose sei der Ausklang einer Privat– Feier im Karneval gewesen, nur vier Polizisten hätten ihren Führerschein nach ebenfalls privaten Feiern verloren, Festgenommene seien überhaupt nicht bestohlen worden. „Kampftrinken“ sei kein regelmäßiger Wettbewerb gewesen. Und wenn denn mal getrunken worden wäre, dann seien nur etwa 30 Liter Bier von ein paar Leuten getrunken worden, bis 4–5 Uhr morgens, und nur von Leuten, die danach dienstfrei gehabt hätten. Im Anschluß an ein solches Saufgelage, so die Verteidiger der jetzt angeklagten beiden Polizisten, sei die ihren Mandanten zur Last gelegte Tat erfolgt. Die nächsten Termine beim Düsseldorfer Landgericht: 12.8., 14.8., jeweils 9 Uhr, Saal 117
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen