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Kampf um Moorburgs IdentitätAbriss droht trotz Denkmalschutz

Der Moorburger Rainer Böhrnsen kämpft für den Erhalt einer maroden, denkmalgeschützten Kate, um das Erbe des umkämpften Stadtteils zu wahren

Die Stadt will abreißen: die historische Kate am Ortseingang von Moorburg. Bild: Darijana Hahn

HAMBURG taz |Die Zeichen sind deutlich: Vom Dach lösen sich die Ziegel, die Gardinen sind vergilbt. Ein Absperrzaun gibt zu verstehen, dass in diesem weiß verputzten, sich leicht neigenden Haus am Ortseingang von Moorburg schon lange niemand mehr wohnt. Und dazu wird es wohl auch nicht mehr kommen. Dem einstöckigen Gebäude aus dem beginnenden 19. Jahrhundert droht der Abriss.

Der Moorburger Rainer Böhrnsen will das nicht tatenlos hinnehmen. „Das wäre bereits das fünfte Haus innerhalb von zehn Jahren, das durch Abriss oder Feuer dem Ortsbild von Moorburg verloren gehen würde“, klagt der 59-jährige Soziologe, der seit 30 Jahren in Moorburg lebt. In dieser Zeit habe er, zusammen mit anderen engagierten Moorburgern, einerseits eine „Kehrtwende“ bewirkt, „in der Art, wie mit dem Ort umgegangen wird“, sagt er.

In dem seit 1982 zum Hafenerweiterungsgebiet deklarierten Hamburger Stadtteil wird seit einigen Jahren wieder in die soziale Infrastruktur investiert, und es gibt für Ortsansässige in begrenztem Umfang befristete Baugenehmigungen. Andererseits sieht Böhrnsen, wie das dörflich geprägte Moorburg mit seinen knapp 800 Einwohnern „einen immer größeren Teil seines Gesichtes“ verliert.

„Zuerst stehen die von der Stadt aufgekauften Häuser leer, dann werden sie abgerissen, und dann haben wir keinen Ersatz“, sagt Böhrnsen. Er fordert: „Jetzt muss das mal aufhören!“ Erst recht, wenn die Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Bei der Kate ist dies laut Angaben des Denkmalschutzamtes der Fall, weil „sie die landwirtschaftliche Vergangenheit Moorburgs dokumentiert und das Stadtbild prägt“. Ein Abriss kommt für Böhrnsen nicht in Frage, schon gar nicht für eine „angeblich noch erforderliche Hafenerweiterung“. Gerade aus den Hafenerweiterungsplänen sei ein Gesetz gefolgt, das das Haus schütze, so Böhrnsen: Die 1982 beschlossene „Räumungsdrucksache Moorburg“ sieht vor, „unter Denkmalschutz stehende Gebäude zu translozieren“.

Das ist los in Moorburg

Seit Hamburg Moorburg 1982 zum Hafenerweiterungsgebiet erklärt wurde, hat die Stadt bereits 90 Prozent der Häuser aufgekauft. Trotz des Damoklesschwerts "Hafenerweiterung" kämpfen die noch knapp 800 Moorburger um die langfristige Lebensqualität in ihrem Ort, auch wenn sie immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen:

Das ist los in Moorburg

Am umstrittenen Kohlekraftwerk Moorburg wird seit 2006 wird gebaut.

Ein Ex-Sicherungsverwahrter ist seit November 2012 in dem beschaulichen Straßendorf untergebracht.

Einen Deponieberg für Hafenschlick plant die Hamburg Port Authority auf einem 45 Hektar großen Gelände.

Von einer solchen Möglichkeit ist indes bei der Finanzbehörde nicht die Rede. Vielmehr verweist ihr Sprecher, Daniel Stricker, darauf, dass die Vormieter ihren „vertraglichen Instandsetzungspflichten nicht in dem erforderlichen Umfange nachgekommen“ seien, wodurch eine „im notwendigen Umfang erforderliche Herrichtung unwirtschaftlich“ geworden sei. Deswegen liefen zurzeit mit dem Denkmalschutzamt Gespräche, „um die Frage des Abbruchs zu klären“.

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3 Kommentare

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  • RB
    Rainer Böhrnsen

    Die Bürger sollten darauf vertrauen können, dass die vom Senat in einer Drucksache gegebenen Zusagen alle in vollem Umfang Gültigkeit haben. In diesem Fall würde das die "Räumungsdrucksache Moorburg" aus 1982 betreffen. Dort hat der Senat unter anderem geregelt, wie in welchem Umfang die Familien finanziell unterstützt werden, die den Ort aufgrund der "Hafenerweiterung" verlassen. Ebenfalls hat der Senat dort zugesagt, alle denkmalsgeschützten Häuser zu translozieren, also umzusetzen. Auf der Grundlage dieser Drucksache ist aktuell eine Familie finanziell unterstützt worden, die iihr Haus an die Stadt verkauft hat, weil in ihrer Nachbarschaft eine ehemals sicherungsverwahrte Person angesiedelt wurde. Die Drucksache hat also noch Gültigkeit, und damit sollte auch die Verpflichtung zur Translozierung noch gültig sein. Es geht nicht an, dass jetzt diese Verpflichtung einfach mißachtet wird. Der Senat macht sich unglaubwürdig, wenn er sich aus einer Drucksache nur die für ihn passenden "Rosinen herauspickt". Ein Abriß ist somit keine Option... Es wäre abzuwägen zwischen Translozierung und Sanierung, wobei letzteres unbedingt zu bevorzugen ist...

  • RB
    Rainer Böhrnsen

    Als bereits Anfang der 80er Jahre der Senat die Entscheidung traf, die Häuser in Moorburg nicht abzureißen, sondern zu vermieten, wurde ebenfalls beschlossen, keine finanziellen Mittel in deren Instandsetzung zu stecken. Die Verwaltung behalf sich, in dem sie sogenannte "Instandsetzungs-Mietverträge" vergab. Die Mieter zahlten eine geringe Miete, waren aber in vollem Umfang zur Instandsetzung und Instandhaltung verpflichtet. Es gab nicht wenige Fälle, in denen die Mieter aufgrund des baulichen Zustandes offensichtlich bereits von Anfang an mit einer Instandsetzung überfordert und oft auch finanziell dazu gar nicht in der Lage waren. Gerade sozial schwächere Familien hatten den Zustand in Kauf genommen, um mit einer geringen Miete eine Bleibe zu bekommen. Die Verträge waren zum Teil derartig dilettantisch verfaßt, dass in einigen Fällen die angerufenen Gerichte feststellten, dass aus dem Vertrag keine Instandsetzungs-Verpflichtung geltend gemacht werden kann... Das wurde erst zu einem Problem, als die Hafenerweiterung in immer weitere Ferne rückte, die ersten Sanierungen stattfinden sollten und die Verwaltung gewahr wurde, dass ein großer Teil der Häuser auf der Basis solcher Verträge vermietet war. Die Verwaltung weigert sich aber bis heute, Sanierungen bei Gebäuden durchzuführen, die mit einem Instandsetzungs-Mietvertrag vergeben sind. Dies geschieht erst, wenn die Mieter ausziehen und kostet dann mehr Geld oder soll gar nicht mehr durchgeführt werden, wie dieses Beispiel zeigt. Hier sind sozial schwache Mieter benutzt worden, um sich politisch über eine Situation herüber zu retten, die durch eine verfehlte Politik gegenüber dem Ort entstanden ist. Und jetzt werden sie auch noch als Sündenböcke vorgeführt... Und die Finanzbehörde möge mal zur Kenntnis nehmen, dass die Frage, ob Denkmalschutz beachtet werden sollte, nicht rein wirtschaftlichen Kriterien unterliegt...

  • IS
    Ineigner Sache

    In Hamburg, wozu Moorburg gehört, gehört diese Art der Politik zu Gang und Gebe. Nicht umsonst hat man in der Regel die Sprinkenhof AG als schwarzen Peter zwischengeschaltet. Bei der Kaserbe der TUHH, welche jetzt zum neuen Hauptgebäude geworden ist, war das zum Beispiel nicht anders. Ziel war es das Gebäude zwangsabreißen zu müssen. Erst als mit dem Konjunkturpacket genügend Geld zur Verfügung stand wurde die Richtung gewechselt.