: Kampf um Häuser
■ Besetzer erzwingen nach Räumung Gespräch im Leipziger Rathaus
Dresden (taz) – Leipziger Hausbesetzer erzwangen gestern ein Gespräch mit Verantwortlichen der Leipziger Wohnungsverwaltung und des Ordnungsamtes, nachdem sie eine Besetzung des Rathauses angedroht hatten. Am Vortag hatte die Stadt ein besetztes Haus auf der Ernestistraße im Stadtteil Connewitz polizeilich räumen lassen.
Zu den Ergebnissen des Gespräches wollten sich die Jugendlichen gestern noch nicht äußern. Der persönliche Referent des Ordnungsdezernenten, Lutz Burger, stellte gegenüber der taz zunächst pikiert fest, daß die Jugendlichen im Rathaus „beträchtliche Ferkeleien und saublöde Parolen“ geäußert hätten. Bei dem Gespräch seien Termine vereinbart worden, an denen „über mögliche Ausweichwohnungen verhandelt werden kann“.
Nach Darstellung der Connewitzer Initiativgruppe „Bumerang“ sind die besetzten Häuser auf der Ernestistraße am Mittwoch morgen durch Polizei gestürmt worden. Die BewohnerInnen des Hauses 9 „wurden aus den Betten getrieben, ihre Personalien festgestellt, mehrere Jugendliche sofort zugeführt. Es wurden Privatsachen durchwühlt, konfisziert und zum Fenster hinausgeworfen“, heißt es in einer Presseerklärung der Initiativgruppe.
Nach dieser Polizeiaktion haben Bauarbeiter im Auftrag des Leipziger Wohnamts alle Strom- und Wasserleitungen gekappt, Fensterkreuze herausgerissen und die Häuser zugemauert.
Leipzigs Polizei-Sprecherin Barbara Schunke erklärte gegenüber der taz, daß die Polizei aufgrund eines Amtshilfeersuchens der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft LWB vor Ort gewesen sei. Das Ordnungsamt habe die Wohnungsverwaltung aufgefordert, „ihr Eigentum zu sichern“. Von zehn angetroffenen Personen hätten sechs zur „Überprüfung ihrer Identität“ zugeführt werden müssen. Unter ihnen habe sich eine mit Haftbefehl gesuchte Frau befunden. Alle anderen Personen seien inzwischen wieder auf freiem Fuß.
Der amtierende Wohnamtsleiter Holger Tschenske rechtfertigt laut „Bumerang“ den LWG-Umgang mit ihrem Eigentum: „Es ist mit dem LWB-Eigentum wie mit meinem Fahrrad. Ich kann es kaputtmachen, ich kann es verschenken, ich kann es wegschmeißen. Es geht niemanden etwas an.“ Der Leipziger Volkszeitung erklärte Tschenske die Aktion mit dem Verdacht, daß sich „die Besetzerszene hier ausweitet“. Zudem sei „Gefahr im Verzug“ gewesen, eine Aussage, die von der Polizei nicht bestätigt wurde.
Seit längerem waren Gespräche über eine Legalisierung des Wohnens auf der Ernestistraße 9 im Gang. Laut Ordnungsamt sei diese „mangels Verhandlungsmasse“ abgebrochen worden. Burger: „Die haben zu hoch gepokert.“ Aus dem Umfeld der Besetzer heißt es, daß die Gespräche scheiterten, nachdem Kündigungsgründe in die Verträge aufgenommen werden sollten, die von den Mietern nicht zu verantworten gewesen wären. dek
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