Kampf um Arbeitnehmervertretung: Ver.di verliert in Bremer Häfen an Boden
Die Dienstleistungsgewerkschaft büßt ihre Mehrheit im Betriebsrat des Bremer Gesamthafenbetriebsvereins (GHBV) ein und kündigt an, die Wahl anzufechten.
HAMBURG taz | Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di ist im Begriff, ihre Dominanz in den Bremer Häfen einzubüßen. Bei der Wahl des Betriebsrats für den Gesamthafenbetriebsverein (GHBV) in Bremen Anfang des Monats errang eine alternative Liste die Mehrheit der Mandate. Vor zwei Jahren war Ähnliches bereits bei der Betriebsratswahl für den GHBV in Bremerhaven passiert. Mit dazu beigetragen hat die 2009 neu gegründete „Fachgewerkschaft deutsche Seehäfen – Contterm“.
Die bremischen Häfen waren im Gefolge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 schwer gebeutelt worden. Wie in vielen anderen Städten brach der Umschlag ein. Die Umschlags- und Dienstleistungsfirmen in den Häfen senkten die Löhne und beschäftigten weniger Leute. Die Leiharbeiter, die der GHBV als ständiger Dienstleister im Pool für alle Hafenfirmen bereit hielt, wurden nicht mehr gebraucht. Ver.di trug die Lohnkürzungen und Entlassungen mit.
Es sieht so aus als hätte Contterm von der Unzufriedenheit vieler Beschäftigter profitieren können: Bei der Betriebsratswahl des GHBV 2012 in Bremerhaven holte die Konkurrenz-Gewerkschaft zwei Sitze im 15-köpfigen Betriebsrat und Ver.di fünf. Die übrigen acht holte die unabhängige Liste „Kollegen für Kollegen“.
Bei der aktuellen Wahl in Bremen bildeten die Kandidaten von Contterm zusammen mit nicht gewerkschaftlich Organisierten eine Liste für Veränderung, die sich mit neun zu acht Sitzen gegenüber Ver.di durchsetzte.
Ver.di-Fachbereichsleiter Dirk Reimers räumt zwar ein: „Das ist kein toller Wahlausgang.“, nach wie vor würden aber zwei von vier freigestellten Betriebsratsmitgliedern aus seiner Gewerkschaft kommen. Allerdings habe die Wahl aufgrund fragwürdiger Rahmenbedingungen unter einer denkbar niedrigen Beteiligung gelitten:
Der Wahlvorstand habe die Betriebsratswahl auf einen Sonntag gelegt, einen Tag, an dem die wenigsten Kollegen arbeiten würden. Es habe nur ein einziges Wahllokal gegeben und die Wahlumschläge hätten aus den Urnen herausgefischt werden können. Überdies habe der Vorstand die eingewanderten Beschäftigten diskriminiert: „Der Wahlvorstand hätte eigentlich dafür sorgen müssen, dass er die Wahl auch in anderen Sprachen zum Aushang bringt“, findet Reimers.
Die Konkurrenz von Contterm und den unabhängigen Kandidaten wirft Ver.di vor, einen zu konzilianten Kurs gegenüber der Arbeitgeberschaft zu fahren. Jüngstes Beispiel aus Sicht des Contterm-Vorsitzenden Wolfgang Kurz war die Idee, unterbeschäftigte Angestellte des Jade-Weser-Ports in Wilhelmshaven in Bremerhaven unterzubringen. Dafür hätten in Bremerhaven bis zu 300 GHBV-Mitarbeiter stempeln gehen müssen. Ver.di trug diese Idee als geringeres Übel mit, doch sie wurde nicht umgesetzt. Stattdessen ging der Großteil der Mitarbeiter des Jade-Weser-Ports in Kurzarbeit.
Mit Blick auf die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des Betriebsrats für den GHBV in Bremen stellte der Ver.di-Mann Reimers rechtliche Schritte in Aussicht. Der Großteil seiner gewählten Kollegen habe sich entschlossen, die Wahl anfechten zu lassen.
Ob es tatsächlich nur die niedrige Beteiligung war, die Ver.di in der Gunst der Beschäftigten hat abstürzen lassen – darauf könnten die Beschäftigten des GHBV in Bremerhaven demnächst einen Hinweis geben. Dort wird im Mai der Betriebsrat neu gewählt.
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