Kampf gegen Arbeitsausbeutung: Schlag gegen die Ausbeuter
In Berlin wurde die erste Schutzwohnung für Menschen eröffnet, die von Arbeitsausbeutung betroffen sind. Hier sollen sie zur Aussage ermutigt werden.

Um besser gegen solche Ausbeuter vorgehen zu können, hat in Berlin vor wenigen Wochen die bundesweit erste Schutzwohnung für Betroffene von Arbeitsausbeutung eröffnet. „Arbeitsausbeutung ist eine der schlimmsten Formen, Menschen in ihrer Not auszunutzen und unter miserablen Bedingungen arbeiten zu lassen“, erklärte Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Montag bei der Vorstellung der neuen Einrichtung.
Betroffen seien zumeist Migranten mit geringen Sprach- und Rechtskenntnissen, die unter falschen Versprechungen hergelockt, unter Druck gesetzt und ihrer Rechte beraubt würden. „Viele sind verängstigt, verzweifelt und wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Das wollen wir ändern“, so Kiziltepe.
Die Schutzwohnung hat drei Zimmer mit zehn Plätzen. Die Adresse bleibt zum Schutz der Menschen geheim, der Standard entspricht dem von Flüchtlingsheimen. Finanziert wird die Wohnung vom Land Berlin mit jährlich 450.000 Euro. Betreiber ist der Internationale Bund (IB), der auch Flüchtlingsheime unterhält. Drei Fachkräfte geben psychosoziale Unterstützung und stellen die Versorgung der Betroffenen sicher. Die Schutzwohnung schaffe „einen ersten sicheren Rückzugsort“ vor Übergriffen durch den Ausbeuter und „eröffnet den betroffenen Menschen neue Perspektiven“, sagte IB-Sprecher Peter Hermanns.
Zeugen gesucht
Denn zusätzlich werden die Untergebrachten von der Bema (Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit) beraten, einer Fachstelle für vor allem migrantische Arbeitnehmer in prekären Arbeitssituationen. Sie hilft den Betroffenen nicht nur dabei, ihre Rechte durchzusetzen, etwa ausstehende Löhne einzuklagen, sondern klärt auch Ansprüche auf Bürgergeld, Arbeitslosengeld, Krankenversicherung und berät bei Aufenthaltsfragen. „Diese Schutzwohnung ist enorm wichtig, um Vertrauen aufzubauen, damit die Ratsuchenden als Zeugen im Prozess auftreten können“, sagte Henning Kruse, Bema-Geschäftsführer.
Dass die Betroffenen bereit sind, als Zeugen vor Gericht aufzutreten, werde eines der Aufnahmekriterien für einen Platz in der Wohnung sein, erklärte Gregor Ott, stellvertretender Leiter des Dezernats Menschenhandel, beim Landeskriminalamt (LKA). Dieses betreibt seit Jahresbeginn gemeinsam mit dem Zoll die bundesweit erste gemeinsame Ermittlungsgruppe „Arbeitsausbeutung“. Mit den Wohnungsbetreibern wird die Ermittlungsgruppe nun eng zusammenarbeiten und Arbeiter, die bei Razzien in Unternehmen aufgegriffen werden, dorthin vermitteln.
Die Ermittler hoffen, so mehr Handhabe gegen Täter zu bekommen. Bisher seien Ausgebeutete häufig nicht bereit, gegen ihre Ex-Bosse auszusagen, sagte Ott. Denn die Täter versuchten alles, um die Opfer zu beeinflussen: Sie versprächen mehr Geld oder setzten die Leute unter Druck, bedrohten etwa ihre Familien in der Heimat. Gleichzeitig sei aber die Zeugenaussage in Menschenhandelsprozessen „das absolut wesentliche Element“, so Ott, da es keinen „klassischen Tatort“ und oft auch keine Beweise gebe. Daher kämen die Täter oft mit Freisprüchen oder geringen Strafen davon.
2023 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 20 Fälle von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung bekannt, die Sozialverwaltung geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Die meisten Betroffenen gibt es in der Bau- und Gastrobranche, sie kommen sowohl aus Europa, hier vor allem aus Rumänien und Bulgarien, sowie aus Drittstaaten.
Ein Manko bleibt: Ein Bleiberecht erhalten die Ausgebeuteten nicht. Lediglich bis zum Ende des Gerichtsprozesses gegen ihre Ausbeuter dürfen sie bleiben. Die Berater der Bema werden ihnen helfen, eine neue Arbeit und Wohnung zu finden – sicher ist das jedoch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!