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Kampf für Reisefreiheit

Eintracht Frankfurt muss in Neapel auf den Support seiner Fans verzichten und ist erbost

Aus FrankfurtFrank Hellmann

Ein lockerer Spruch hier, ein aufmunterndes Schulterklopfen dort: Fast schon demonstrativ verbreiteten die Profis von Eintracht Frankfurt am Montag beim Abschlusstraining ein bisschen Zuversicht: Das Champions-League-Auswärtsspiel beim SSC Neapel (Dienstag 18.45 Uhr/DAZN) soll die Laune wieder aufhellen, nachdem es zuletzt in Liga, Pokal und Königsklasse nur Rückschläge gegeben hatte. „Wir dürfen uns die natürliche Freude nicht nehmen lassen“, sagte Trainer Dino Toppmöller. „Nur weil wir von dem einen oder anderen Weltklasseteam mal eins auf den Deckel bekommen haben.“

Erschwerend kommt hinzu, dass der eigene Anhang keine Unterstützung leisten kann. In der nach Napoli-Ikone Diego Armando Maradona benannten Betonschüssel sind Eintracht-Fans ausgesperrt. Die Frankfurter Vorstandsebene ist darüber so erbost, dass ein offizielles Treffen der Verantwortlichen beider Vereine entfällt. „Es gibt kein Grußwort, es gibt kein Dinner!“ beschrieb Vorstandsmitglied Philipp Reschke kürzlich beim Fantalk „Waldtribüne“ das Nichtverhältnis. „Die diplomatischen Beziehungen sind gestorben.“ Hintergrund: Wie schon beim Achtelfinal-Rückspiel im März 2023 hat die Präfektur Neapel verfügt, dass der hessische Bundesligist keine Tickets bekommt. Zudem ist erneut ein Einreiseverbot für Frankfurter Anhänger ergangen.

Darüber hatten sich viele vor zweieinhalb Jahren hinweggesetzt, was prompt zu schlimmen Krawallen führte. Rivalisierende Fangruppen lieferten sich damals üble Straßenschlachten. Reschke fühlte sich vom Gastgeber „mit einem Taschenspielertrick mit den eigenen Behörden“ abserviert. Der Justiziar spricht von einer Wettbewerbsverzerrung: „Der völlig unterschiedliche Umgang mit Hochrisikospielen an den jeweiligen Standorten führt zu einem echten Problem für die europäische Fankultur und die Integrität der Klubwettbewerbe.“

Man habe in Deutschland ja auch Hochrisikospiele, „aber hier werden keine Kosten und Mühen gescheut, um ein Spiel irgendwie mit Zuschauern von beiden Seiten zu gewährleisten“. Es könne nicht sein, „dass vor allem in Frankreich und Italien bei identischer Vorauslage Gästefans schlicht behördlich ausgeschlossen werden“. In der Ligue 1 oder Serie A würden ständig Spiele ohne Gästefans stattfinden. Ein trauriger Brauch: So könne es für den Europapokal nicht weitergehen, wo doch die Liga-Phase eigentlich für mehr Vielfalt der Begegnungen stehe.

Die Eintracht hatte bei der Uefa erfolglos beantragt, dass die Neapel-Partie an einen neutralen Ort verlegt oder unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Der Bundesligist hatte die Ablehnung am 17. Oktober zwar erwartet, will jedoch eine Änderung der Statuten erwirken. Reschke: „Wir haben Vorschläge gemacht. Die Uefa hat sich sehr offen gezeigt, das mit uns zu diskutieren. Wir bilden die Speerspitze – das können wir ganz gut.“ Renommierte Vereine wie der FC Liverpool würden dabei Unterstützung leisten.

Letztlich hätte auch die Uefa „die Schnauze gestrichen voll“, sich immer wieder mit dieser Thematik beschäftigen zu müssen, verriet der 52-Jährige. Zumal der Europarat unlängst eine grundsätzliche Empfehlung ausgesprochen hat, Fan- und Reiserechte zu stärken. Jurist Reschke kann sich vorstellen, dass sich die Uefa analog zu den europäischen Finals gewisse Garantien von den Gastgebern geben lässt.

Man könne beispielsweise den ausrichtenden Klub in die Verantwortung nehmen. Das Druckmittel würde dann lauten: „Wenn deine Behörden Gästefans ausschließen, darfst du deine eigenen Fans auch nicht mitnehmen. Dann wollen wir doch mal sehen, wie auf einmal die Teilnehmerstandorte reagieren.“ Seine Prognose: „Die kennen alle ihre Bürgermeister, ihre Innenminister, ihre Polizeieinsatzleiter. Es dauert keine zwei Wochen, auf einmal können Fans wieder in Städte reisen, wo sie jetzt nicht zugelassen sind.“ Die Freizügigkeit sei eines der obersten fankulturellen Rechte, das gewahrt bleiben müsste, sagte Reschke.

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