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Kampagne gegen den Internet Explorer 6Microsoft frisst seine Kinder

Microsoft rät von einem eigenen Produkt ab: Der Marktanteil des Internet Explorer 6 soll drastisch gesenkt werden. Intensiv beworben wird die Nachfolge-Version.

Solch alte Desktop-Icons kommen bei Microsoft nicht gut an: Der Internet Explorer 6 soll zurückgedrängt werden. Bild: dpa

BERLIN taz | Nachdem in den letzten Jahren nur selten mit Innovationen geglänzt wurde, sorgt Microsoft nun für eine Überraschung: Das Unternehmen möchte den weltweiten Marktanteil des Webbrowsers Internet Explorer 6 auf unter ein Prozent drücken - obwohl es sich um ein firmeneigenes Produkt handelt. Davon profitieren soll die Nachfolge-Version, der Internet Explorer 8.

Der weltweite Marktanteil des Internet Explorer 6 liegt derzeit bei zwölf Prozent - laut Microsoft sind das neun Prozentpunkte weniger als letztes Jahr. Um diesen Niedergang des zehn Jahre alten Browsers zu befeuern und nun endgültig zu besiegeln, hat Microsoft eigens eine Webseite eingerichtet, auf der ein Upgrade auf den Internet Explorer 8 empfohlen wird. So sei eine höhere Sicherheit beim Surfen gewährleistet.

Außerdem wolle man Web-Entwicklern auf der ganzen Welt "Stunden von Arbeit" ersparen, die erforderlich seien, um die Kompatibilität von Websites mit dem alten Browser herzustellen. Die Website zeigt außerdem einen Countdown mit dem aktuellen Marktanteil, aufgeschlüsselt nach Ländern. Am häufigsten wird der Internet Explorer 6 derzeit noch in China, Südkorea und Indien verwendet.

Microsoft scheint sich mit seiner Kampagne explizit an große Unternehmen, Institutionen oder Behörden zu richten, innerhalb derer eine Umstellung aufwändig wäre und daher gescheut wird. So werden beispielsweise Berichte über Unternehmen, die erfolgreich auf den Internet Explorer 8 umgestellt haben, zur Verfügung gestellt - als Paradebeispiel dient unter anderem Dell.

Sogar eine komplette Studie zu den "wirtschaftlichen Auswirkungen" eines Upgrades ist abrufbar. Und damit eine Umstellung auch ohne große Hürden realisiert werden kann, wird ein "Migrations-Workshop" angeboten, der großen Betrieben bei der "Migration" vom Internet Explorer 6 zum Internet Explorer 8 helfen soll - wobei Microsoft nicht die Gelegenheit auslässt, gleichzeitig einen Wechsel zu Windows 7 zu empfehlen.

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7 Kommentare

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  • S
    Sigibold

    Wenn man den Artikel liest, kommt es einem so vor als starte Microsoft verzweifelt eine Rückrufaktion eines verunglückten Produktes. So ist es doch wohl nicht. Seinen Kunden zu raten, doch vielleicht auf ein neueres Softwaremoddel umzusteigen ist doch verständlich und nachvollziehbar. Außerdem ist der Umstieg auch noch kostenfrei. Die 6er Version ist nun wirklich out und ab Version 7 ist der Browser echt gut, auch wenn ich persöhnlich lieber Firefox als Standardbrowser verwende.

    Als Softwareentwickler weiß ich ein Lied davon zu singen, was es bedeutet, Jahr um Jahr veraltete Programmversionen zu pflegen. Ich finde es erstaunlich und ehrenwert, dass Microsoft abwärtskompatibel bis in die Zeiten von Windows 95 ist. Ja sogar Dosprogramme laufen noch in den Kompatibilitätsmodi.

     

    Sigibold

  • C
    Chris

    Re: Nils Kaczenski

     

    Hallo Herr Kaczenski,

    OK, jetzt möchte ich es wissen.. die Innovationen des IE8, die von anderen nachgeahmt wird. Es tut mir wirklich leid, Sie so enttäuschen zu müssen, aber der IE8 ist eine Kompilation der Innovationen, die es bei Mozilla, Opera, etc. teilweise schon seit vielen Jahren gibt. Beispiele gefällig? Suchleiste, Tab-Browsing, Widgets, Speed-Browsing

     

    Microsoft hat schon immer schlicht den aktuellen Stand seiner Mitbewerber einfach kopiert und als Eigeninnovation ausgegeben. Und anstatt dazu zu stehen (gute Ideen dürfen auch gerne nachgeahmt werden), versuchen sie nun die Mitbewerber durch propriätäre und vollkommen überflüssige Software (siehe Silverlight) vom Markt zu drängen.

     

    Viele Grüße

     

    Chris

  • D
    Dirk

    Hallo Nils,

     

    ich stimme zu der Artikel könnte mehr Tiefgang haben.

     

    Ich finde die Aussage "Nachdem in den letzten Jahren nur selten mit Innovationen geglänzt wurde" richtig. Microsoft hat im Webbereich sehr viel kopiert und liegt technisch mit dem IE8 ca. 2-3 Jahre zurück. Generell begrüße ich, daß Microsoft mit dem IE8 nach vielen Jahren der Ignoranz eine Reihe von Webstandards implementiert.

     

    Genau hier liegt auch der Grund, warum einige Firmen das Update scheuen. Einige Softwareanbieter hatten gezielt für Microsoft IE4,5,6 programmiert. Die Anpassungen nun Standards zu verwenden, können sehr teuer werden. Die Firmen und auch die Behörden sollten daraus die Lehre schließen sich nicht an proprietäre Techniken von großen Softwarefirmen zu binden.

     

    Eine Nachfrage an Nils, Was wurde im IE8 erfunden, dass Mitbewerbern nachgeahmt haben?

     

    Grüße von einem Webentwickler

  • LP
    Lars Petter

    Endlich sehen sie es ein! Die 8er Version am besten auch gleich mit entsorgen.

     

    Wenn man die ganzen Arbeitsstunden zusammenzählen würde, die Webentwickler aufwenden müssen, um ihre Seiten IE kompatibel zu machen, dann kämen da jedes Jahr bestimmt Milliarden € zusammen.

     

    Microsoft ist ein Klotz am Bein der internationalen Webgemeinde und für jeden Webentwickler ein persönliches Ärgernis.

     

    Wäre die Welt doch frei von diesem properitärem Gezänke! Wer brauchte schon die Browserwars und wem haben sie wirklich geholfen? Niemandem - so sieht es nämlich aus.

     

    Aber nein, hinsichtlich HTML 5 und Videocodec geht der Streit munter weiter.

     

    Es gibt nur einen Ausweg: Macht euch frei.

  • DI
    der ich

    wer ahmt wen nach?

  • J
    Jussuf

    Nach dem ersten aha-Gefühl kann ich nur sagen: von wegen an die Web-Entwickler denken! Das ist Unkraut jäten, aufgebauscht und zielgerichtet zur Imagepflege aufgewandt. Sicher ist der IE8 um Welten besser als der IE6, andererseits hält Microsoft noch viel zu starr an eigenen, technischen Visionen fest, die allgemein nicht kompatibel sein "sollen".

     

    Wenn Microsoft bspw. sagen würde: wir unterstützen WebGL, dann würde ich wirklich staunen, dann wäre eine spürbare Kehrtwende in ihrer zunehmend selbstzerstörerischen Produktpolitik erkennbar, also jetzt im Hinblick auf Webtechnologien. Denn IE6 ist sowieso überhaupt nicht mehr tragfähig, und die dazu erforderlichen Produkte, die den Change fordern, kamen praktisch nie von Microsoft. Stattdessen erstmal ActiveX, Silverlight und andere, proprietäre, teils unausgegorene, teils gefährliche Ergänzungen.

     

    Aber sonst ist, wie schon Nils sagt, Microsoft in vielen Aspekten ein ganz großer Akteur, verdientermaßen. Man muss es machen, wie es Mozilla vorgemacht hat: einfach besser machen, das ist wenigstens wirklich glaubwürdig. Diese schnöden 90er-Leitlinien für's Web, man sollte schon meinen, dass zwischen W95/98SE und Win7 genügend Zeit vergangen sei.

  • NK
    Nils Kaczenski

    Liebe taz,

     

    es ist wie beim Amen in der Kirche: Kaum schreibt ihr was zu einem IT-Thema, schon fehlt jede journalistische Sorgfalt. Skepsis gegenüber großen Unternehmen ist nie verkehrt, aber abgedroschene Klischees und Unwahrheiten sind es.

     

    Wie kommt ihr z.B. auf die Aussage "Nachdem in den letzten Jahren nur selten mit Innovationen geglänzt wurde"? Das sehen praktisch alle IT-Experten anders, selbst wenn sie Microsoft noch so wenig mögen.

     

    Und: Der Internet Explorer 8 ist nicht die Nachfolge-Version des IE6, sondern der Nachfolger des IE7, welcher der IE6-Nachfolger war. Es geht hier um Software, da ist der Unterschied schon relevant. Im IE8 steckt nämlich einiges an Innovation, was von den Mitbewerbern nachgeahmt wird ...

     

    Wenn doch der Wirtschaftsjournalismus bei der taz endlich mal so gut werden würde wie der politische ...

     

    Schöne Grüße, Nils Kaczenski