: Kammer-Tochter „außer Kontrolle“
■ DGB-Fraktion und Geschäftsführung versuchen bbi-Skandal zu vertuschen – ohne Erfolg
Der Skandal um die Weiterbildungstochter „Berufsbildungs-Institut“ (bbi) der Angestelltenkammer nimmt immer groteskere Formen an. Die beiden inzwischen zurückgetretenen Geschäftsführer Gerald Graubner und Marion Seevers hatten zumindest seit Ende des vergangenen Jahres ihre Mitarbeiter und deren Nebengeschäfte nicht mehr unter Kontrolle. Obwohl die Kammer-Führung bereits seit längerem davon wußte, versuchte sie in den vergangenen Monaten nach Kräften, den Skandal zu vertuschen, statt ihn aufzuklären. Das geht aus einer ganzen Reihe interner Dokumente des bbi hervor.
„Das bbi läßt sich nicht mehr kontrollieren.“ Mit diesem verzweifelten Satz faßte zum Beispiel Kammer-Geschäftsführer Eberhard Fehrmann die Situation um die Weiterbildungstochter am 10. Februar zusammen. Nachzulesen ist dies im Protokoll einer internen Sitzung im Anschluß an die offizielle Gesellschafterversammlung des bbi. Und weiter: „Auch Kollege Dr. Graubner hat keinen Überblick über die Interna. Kollege Fehrmann stellt fest, daß die Führungskräfte des bbi endlich begreifen müßten, daß sie Verantwortung zu tragen haben.“ Ähnlich zitiert das Protokoll der bbi-Gesellschafterversammlung auch die DGB-Vorsitzende: „Helga Ziegert äußerte große Bedenken gegen die Ausgründungspolitik des bbi.“
Hintergrund ist die Gründung der Firma ADI Consult durch den bbi-Mitarbeiter Heinz Kraus im Oktober vergangenen Jahres (vgl. taz vom 9.3.). In ihr war der größte Teil der Auslandsabteilung des bbi engagiert, um die mit EG-Mitteln finanzierten Projekte auf eigene Rechnung weiterführen zu können, wenn das bbi – wie von der Angestelltenkammer beabsichtigt – ihre Auslandsaktivitäten einstellt. Die verstoßen nämlich eindeutig gegen ihren im Bremer Kammergesetz festgelegten Auftrag und haben zudem in den vergangenen Jahren zu Millionenverlusten geführt, für die die Kammer haftet.
Noch am 7. März verwies die Kammer-Leitung in einer Presseerklärung allerdings darauf, daß „die Gründung ADI ohne Wissen der Geschäftsführung des BBI“ erfolgt sei, „dazu liegen von beiden Seiten eidesstattliche Erklärungen vor“. Dies ist falsch. Tatsächlich hatte bbi-Geschäftsführerin Marion Seevers bereits am 18. Oktober 1993 eine Nebentätigkeitsgenehmigung für ihren Mitarbeiter Heinz Kraus ausgestellt. Darin heißt es: „Mit ihrer Funktion als Vorstand für ADI e.V. bzw. ADI Consult GmbH erklären wir uns (...) einverstanden.“ Trotzdem erklärten beide bbi-Geschäftsführer am 8.2.94 in ihren eidesstattlichen Erklärungen: „Ich war über die Gründung der ADI Consult GmbH im November 1993 weder informiert, noch wußte ich oder habe genehmigt, daß der bbi-Mitarbeiter H. Kraus Gesellschaftsanteile übernommen hat und Geschäftsführer wurde.“
Die DAG-Opposition in der Angestelltenkammer fürchtet nun, daß der bbi-Skandal mit einem wirtschaftlichen Trick vertuscht werden soll. DGB-Mehrheitsfraktion, Kammer-Präsidentin Irmtrud Gläser und Kammer-Geschäftsführer Fehrmann hatten nämlich Anfang März in einer gemeinsamen Pressekonferenz angekündigt, bbi künftig nicht mehr als direkte Tochter der Angestelltenkammer, sondern als Tochter ihrer zur GmbH mutierten Wirtschafts- und Sozialakademie (WIAK) betreiben zu wollen. Einen Grundsatzbeschluß dazu soll die Kammer-Vollversammlung bereits am 29. März fällen. Bei dieser Fusion könnten die aufgelaufenen bbi-Verluste in Höhe von über drei Millionen Mark nämlich durch die Immobilien der WIAK gedeckt werden. Die DAG-Fraktionsvorsitzende Brigitte Dreyer: „Das hieße, die Bildungsstätte Bad Zwischenahn und die Gebäude in der Bertha-von-Suttner-Straße werden als Mitgift der Angestelltenkammer eingebracht – das Tafelsilber der Zwangsmitglieder!“
Mit der geplanten Umorganisation der Kammer-Weiterbildung als GmbH und GmbH-Tochter sieht die DAG den letzten Rest ihrer Oppositions-Rechte schwinden. Dreyer: „Dann würden 80 Prozent der Kammeraufgaben in GmbH's erledigt. Damit würde der demokratisch gewählten Vollversammlung jede Kontrolle verwehrt.“ Sie prüft jetzt die Beantragung einer einstweiligen Verfügung gegen den möglichen Beschluß der DGB-Mehrheit. Ase
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