piwik no script img

Kalte Glut und weiche Tolle

■ Burt Lancaster und Ava Gardner in Robert Siodmaks „The Killers“ (1946)

Die schönsten Filme aus dem fortschrittssüchtigen Land, in dem es die eingewanderten armen Schlucker zu Größtem bringen wollen, den USA, sind die ganz und gar hoffnungslosen. Die entstehen, wenn der Mutige, der auf das kleine, aber sichre Glück gepfiffen hat, nach dem Aufbruch zur großen Liebe, zum großen Glück und großen Geld gescheitert auf dem schäbigem Hotelbett liegt, das zu kurz für seine Größe ist, wenn alles zu Ende ist und nur der Tod noch kommt. Wenn alles in vain war, vanitas, wie es im Barock hieß; wenn sich rausstellt, das doch das Fatum regiert, das in Gestalt von zwei schäbigen Killern die Treppe heraufkommt, dann ist das der wunderschöne Anfang von Killers.

Es ist 1946. Der Regisseur Robert Siodmak, dem großen Morden in Deutschland soeben entkommen, ist grad der richtige, um den „Staaten“ nach Depression und Weltkrieg bei etwas Neuem zu helfen, dem Buchstabieren der Melancholie. Ihren Namen, film noir, holt sie sich aus dem verlassenen Europa.

Und da liegt dann ein Burt Lancaster in seinem zu kurzen Hotelbett, noch nicht dieser normannische Schrank mit dem unbezwinglich sein sollenden Grinsen im Gebiß. Ein ungeheuer Junger mit einer Tolle aus weichem blonden Haar und Augen, so traurig, und einem Mund, so sehnsüchtig, und er weiß doch schon: „I'm running through“, Es hat keinen Sinn, dem Schicksal wegzulau

fen, es erwischt dich doch. Und wartet, daß sie dich zusammenballern. This is the first time anybody's done anything that I wrote that makes sense, hat Ernest Hemingway gesagt. „The Killers“ ist nach einer Erzählung von ihm gedreht.

Und Erzählen tut dann auch der Film in diesen wunderbaren altmodischen Rückblenden, wo erst immer eine Geschichte anerzählt wird, die sich dann mählich in Bilder verwandelt. In die Geschichte von „Swede“ (Burt Lancaster), der das große Geld wollte und als Berufsboxer auch kriegte, bis sein Manager ihn verheizte und fallen ließ. Der dann Kitty Collins, der mondänen Unnahbaren verfiel, die allerdings Big Jim gehörte. Wie er Kittys wegen in Big Jims Großen Coup geriet, wie Kitty ihn um Geld, Liebe und vor allem die Wahrheit betrügt.

Die bringt dann der Versicherungsagent James Reardon ans Licht. In einer Filmwelt aus schwarz-weiß, in der das Licht da ist, damit der Schatten da ist. Eine nostalgisch ans Herz greifende Welt aus milchverglasten Büros, plietschen Puppen von Sekretärinnen zum Pferdestehlen, breitkrempigen Bogarthüten, die abenteuerlich schwingend des Versicherungsagenten Stirn zerteilen und einer bösen, lockenden Ava Gardner als Kitty. Die sieht trotz aller kaltglühenden Schönheit aus, als hätte sie mehr Unglück in den Ringen unter den Augen getragen, als ihre Visagistin hätte wegpudern können.

In dieser Welt der vanitas, wo alles eitel und herzzusammen- drückend schön ist, muß man immerzu angespanntest mitdenken, um Reardon beim Aufdecken einer extrem komplizierten Wahrheit folgen zu können. Einer Wahrheit, die Swede, der sich un

schuldig hat massakrieren lassen, nicht wieder lebendig macht, aber der Versicherung eine Menge Geld spart. Um das irre wirre Kinoglück vollständig zu machen: es wird OmU gesprochen.

Uta Stolle

Schauburg, kl. Haus 18 u. 20 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen