Kahn moderiert Fußball mit Kerner: Hintergründiger Titanen-Humor
Zwei Tage nach dessen Abschiedsspiel präsentiert das ZDF Oliver Kahn als neuen Fußballexperten an der Seite von Johannes B. Kerner. Auch das noch.
Bei seinem Abschiedsspiel, da war Oliver Kahn noch ein "Sie" herausgerutscht. Da stand ihm Johannes B. Kerner als Reporter gegenüber, und Kahn trug noch sein schmutziges Torwarttrikot. Donnerstagmittag, keine zwei Tage später, wirken die Bilder wie aus einer anderen Zeit. Kahn und Kerner sitzen in dunklen Anzügen nebeneinander in einem Konferenzraum in der Münchner Arena und duzen sich konsequent wie zwei alte Kollegen. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit "dem Johannes", sagt Kahn und Kerner findet: "Der Olli ist ein toller Typ."
Das ist also das neue Traumduo des öffentlich-rechtlichen Fußball-TVs. Bis zur WM 2010 in Südafrika werden Kahn und Kerner alle ZDF-Übertragungen von Spielen der deutschen Nationalmannschaft begleiten - Kerner als Moderator, Kahn gibt den Experten. Für den ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz ist Kahn die perfekte Besetzung. "Der Oliver soll einfach so authentisch bleiben wie er ist, er soll sich nicht verbiegen."
Mit dem Authentischsein ist das bei Kahn allerdings so eine Sache. Es gab kaum ein Interview in seiner 18-jährigen Karriere, in dem Kahn in die Kamera oder dem Interviewer in die Augen geblickt hätte. Meist wandte sich sein Blick in Richtung Flutlichtmast, er sprach langsam in zerdehnten Worten und strahlte immer eine gewisse Unnahbarkeit aus. Wo der Torwart-Titan aufhörte und wo der Mensch Oliver Kahn eigentlich anfing, konnte niemand so recht sagen.
"Die Feierlichkeiten um mein Abschiedsspiiieeel waren fuuurchtbar aufregend", sagt Kahn wieder ganz im Titan-Interviewmodus, dehnt die Worte, blickt zur Decke. "Natüüürlich", meint Kahn, "ist es mit dem Fernsehmachen wie auf dem Platz. Man kann trainieren, man kann üben, aber am Ende muss man es einfach machen." Als Kahn zu seinem ersten Spiel als Experte befragt wird, in der WM-Qualifikation gegen Finnland am Mittwoch, redet er von der schwierigen Ausgangslage in der Gruppe, von den starken Finnen und sagt: "Da muss man schon im zweiten Spiel höllisch aufpassen." Er klingt noch wie ein Spieler. Kerner freut das: "Der Olli ist bis vor kurzem noch selbst dabei gewesen. Olli ist der beste Diplomat zwischen Mannschaft und Publikum."
Aber Kahn möchte nicht nur Diplomat sein, er möchte auch wie sein Vorgänger Jürgen Klopp den Zuschauern die Taktik und das Spiel erklären. Mit technischen Hilfsmitteln möchte er sich dabei zurückhalten: "Man darf das nicht übertreiben."
Wenig später stellt sich Kahn noch in kleinen Gruppen den Fragen der Journalisten. Und auf einmal hat man den Eindruck, nicht mehr nur den Titan, sondern auch den Menschen Kahn vor sich zu haben. Er schaut dem Fragesteller direkt in die Augen.
Warum er sich das antut, nach dem Karriereende? Warum er nicht einfach Urlaub macht? "Ich kann nicht länger als zwei Stunden am Pool liegen. Da werde ich wahnsinnig", sagt Kahn. "Durch die distanzierte Position, die ich jetzt als Experte habe, kann ich vielleicht endlich etwas Abstand vom Fußball gewinnen."
Kerner erhofft sich mehr als nur einen distanzierten Experten: "Der Olli hat einen hintergründigen Humor, den werden wir etwas nach vorne bringen." Und als wollte er es beweisen, sagt Kahn: "Ich freue mich, endlich einmal nicht mehr an der Kamera vorbeizuschauen, sondern in die Kamera oder dem Johannes in die wunderschönen Augen." Kurze Pause. Dann: "Das war ein Witz." So ganz scheint Kahn seinem Publikum den hintergründigen Titanen-Humor noch nicht zuzutrauen.
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