: Käpt’n Knut kapert alle
Knut Schakinnis’ Theaterschiff am Tiefer ist ein Erfolgsmodell – und Keimzelle eines geschlossenen Systems aus mittlerweile fünf Spielstätten, die ihre Produktionen kostengünstig rotieren lassen
Von Henning Bleyl
Knut Schakinnis, Chef der am Tiefer ankernden Boulevard-Bühne, ist Deutschlands spielstättenreichster Theaterunternehmer. Seit er die „MS Rügen“ vor sechs Jahren für 230.000 Euro umbauen ließ, hat sich sein Geschäftsfeld stetig erweitert. Mittlerweile verantwortet Schakinnis, der auch selbst noch spielt, fünf Einrichtungen – mit und ohne Wasser unter dem Bug.
Anfang vergangenen Jahres übernahm der Theaterschiffer das Packhaus. Dort war es zu bilanztechnischen Unregelmäßigkeiten gekommen, jetzt soll er das Haus aus der Alimentierung durch die Stadt herausführen. So etwas geht nur durch ein Geschäftsmodell à la Schakinnis: Seine Spielstätten, die er zum Teil besitzt, in jedem Fall jedoch als Geschäftsführer und künstlerischer Leiter steuert, kaufen sich die Produktionen gegenseitig ab. Auch die SchauspielerInnen rotieren nach Bedarf.
Dabei war Schakinnis erster Landgang, die Übernahme der „Komödie Kassel“ 2006, gar keine geplante Aktion. Während der Theaterreeder gerade seine Flotte in Lübeck erweiterte, bat ihn die Stadt Kassel um Übernahme ihrer Pleite gegangen „Komödie“. Hintergrund waren persönliche Beziehungen: Theaterschiff-Regisseur und RB-Moderator Dirk „Hossa“ Böhling war einen Tag – eben den vor der Insolvenz – Intendant der „Komödie“. Jetzt ist sie Teil des Systems Theaterschiff, das überwiegend mit Eigenproduktionen agiert.
Typisch für deren Stil ist beispielsweise der Heinz Erhardt-Abend „Was bin ich wieder für ein Schelm“ mit Reinhard Krökel. Dessen perfekte Reanimation des entschleunigten 50er- und 60er Jahre-Humors tut niemandem weh, was die Unterhaltsamkeit keineswegs schmälert. Nachzuerleben, an welchen hinreißend harmlosen Pointen sich die Adenauer-Ära ergötzte, hat zudem einen anrührenden Nebeneffekt.
Seit ein paar Monaten ist Schakinnis’ Reich sogar namensrechtlich gefestigt: Unter der Nummer 306 55 736 ließ er „Theaterschiff“ beim Deutschen Patent- und Markenamt registrieren: „Ab sofort dürfen nur diejenigen Theater Theaterschiff heißen, denen der ‚Theaterschiff Bremen e. V.‘ die Lizenz erteilt.“ Bislang aber, heißt es bei der Bremer Crew, habe man keinen der rund ein Dutzend Namensvettern abgemahnt.
Das Bremer Exemplar hat juristische Kanonaden auch gar nicht nötig: Mit 270 Plätzen in zwei Sälen ist es ohnehin „Europas größtes Theaterschiff“. Der Superlativ relativiert sich zwar durch den Umstand, dass außerhalb Deutschlands schwimmende Bühnen kaum gebräuchlich sind – der auch quantitative Erfolg der Institution ist trotzdem unbestreitbar. Allein in der vergangenen Spielzeit kamen 53.125 ZuschauerInnen – eine Auslastung von 90,5 Prozent.
Dabei hatte Schakinnis mit Schwierigkeiten verschiedenster Natur zu kämpfen. 2003 wurde ihm das Packeis auf der Weser gefährlich – beziehungsweise dessen potenzielles Erscheinen. Mitten im Hochsommer musste auf Geheiß des Wasser- und Schifffahrtsamtes die Bullaugenfläche halbiert werden.
Mittlerweile hat sich nicht nur die Großwetterlage sondern auch das künstlerische Image des Theaterschiffs gewandelt: In der Szene ist ein Schakinnis-Engagement mittlerweile hochbegehrt, unter anderem verspricht es dauerhafte Beschäftigung. „Ganze Kerle“ etwa, das im Mai 2007 im Packhaus Premiere hatte, läuft seither ununterbrochen im Schakinnis-Netzwerk. Im November kommt es zum dritten Mal ins Packhaus – so wird aus dem Ringtausch sogar ein geschlossener Stücke-Kreislauf, der durchaus mehrere Umdrehungen schafft. Rund 100 Beschäftigte, die allermeisten freilich auf Honorarbasis, finden bei Schakinnis ihr Auskommen. Nebenbei wird das Modell auch für Verlage immer attraktiver: Die Chance, dass ein Stück gute Rezensionen einfährt, erhöht sich mit der Premieren-Zahl.
Schakinnis fünfte Spielstätte eröffnet kommende Woche: Der Kratzmannsche Hof in Oststeinbek bei Hamburg. Erste Premiere: „Piaf“, derzeit auf dem Theaterschiff zu sehen.