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Kämpfe im IrakRadikalislamisten gewinnen an Boden

Isis-Kämpfer sollen laut Medien Iraks Armee aus mehreren westirakischen Städten vertrieben haben. John Kerry reist derweil zu Gesprächen über die Irak-Krise nach Nahost.

Schiitische Freiwillige bereiten sich in Kerbala auf ihren Kampf gegen Isis vor. Bild: dpa

BAGDAD/WASHINGTON dpa | Die islamistische Isis-Miliz hat nach Medienberichten ihre Machtposition im Westen des Iraks gefestigt. Kämpfer der Organisation Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) hätten die Armee aus mehreren Orten im Grenzgebiet zu Syrien vertrieben, berichteten mehrere Medien übereinstimmend. US-Außenminister John Kerry reist am Sonntag zu Gesprächen über die Irak-Krise nach Nahost und Europa. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kündigte eine Ausweitung der deutschen Flüchtlingshilfe für den Mittleren Osten an.

Wie der US-Nachrichtensender CNN unter Berufung auf einen hochrangigen Vertreter des irakischen Sicherheitsapparates berichtete, nahmen Isis-Kämpfer neben ihrer Offensive im Norden auch die westlichen Städte Raua, Ana, Al-Kaim und Husseiba ein. Die Orte liegen in der Provinz Anbar, einer Hochburg der Miliz. Von unabhängiger Seite konnte dies zunächst nicht überprüft werden.

Von der syrischen Provinz Rakka aus waren die Isis-Kämpfer vor einigen Monaten ins westirakische Anbar gekommen. In der Stadt Falludscha setzten sie sich im Januar fest, eroberten Waffendepots der irakischen Armee und hielten Angriffen der Regierungstruppen stand.

Bei Gesprächen in Nahost und Europa will US-Außenminister Kerry über Wege beraten, den Vormarsch der sunnitischen Kämpfer zu stoppen. Kerry wird zunächst in Ägypten und Jordanien erwartet. Anschließend geht es zu einem Treffen mit Nato-Außenministern nach Brüssel sowie zu Konsultationen in Paris.

Die USA hatten angekündigt, das irakische Militär im Kampf gegen die Terrormiliz zu unterstützen. Washington setzt dabei unter anderem auf einen möglichst kurzen Einsatz der rund 300 Soldaten, die als Militärberater in den Irak geschickt werden sollen.

Müller fordert europäisches Sonderprogramm

Zuvor hatten Tausende Schiiten bei militärischen Paraden ihre Macht demonstriert. Wie Bewohner von Bagdad berichteten, marschierten allein in der Hauptstadt mehrere tausend Anhänger des radikalen Schiitenpredigers Muktada al-Sadr auf.

Die Feindschaft zwischen den muslimischen Glaubensrichtungen der Sunniten und Schiiten hat im Irak eine lange Tradition. Ex-Diktator Saddam Hussein, ein Sunnit, hatte die schiitische Mehrheit im Lande diskriminiert. Nach seinem Sturz 2003 verloren die sunnitischen Stämme Macht und Einfluss. Nach dem US-Abzug 2011 entbrannte der Machtkampf aufs Neue. Die von Schiiten dominierte Regierung unter Nuri al-Maliki hält Sunniten seit Jahren von allen wichtigen politischen Posten im Irak fern.

Sunnitische Terrorgruppen wie Isis kämpfen gegen Schiiten, die sie als „Abweichler“ von der wahren Lehre des Islams ansehen. Die Isis-Kämpfer verbreiten derzeit Angst und Schrecken in der Region. Hunderttausende sind auf der Flucht. Im benachbarten Syrien sieht die Lage wegen des dort tobenden Bürgerkrieges ähnlich aus.

„Angesichts der aktuellen Dramatik will ich in der kommenden Woche im Rahmen der Haushaltsberatungen die Sondermaßnahmen für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak verstärken - und dafür voraussichtlich weitere 50 Millionen Euro bereitstellen“, sagte Entwicklungsminister Müller der Welt am Sonntag. In den vergangenen beiden Jahren hatte die Bundesregierung für Flüchtlingshilfe in der Region 200 Millionen Euro eingesetzt.

Müller verlangte darüber hinaus ein europäisches Sonderprogramm, finanziert aus dem europäischen Flüchtlingsfonds. „Es ist jetzt entscheidend, konkret und schnell zu handeln“, sagte der Minister. „Wir sollten Mittel umschichten und eine Sonder-Milliarde der EU für Frieden und Entwicklung investieren.“

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