Kälber gedopt — Bauern reingelegt

In Münster begann der Hormonskandal-Prozeß gegen den „Kälberbaron“ Felix Hying  ■ Von Bettina Markmeyer

Münster (taz) — Für 9.000 Opfer kommt der Prozeß zu spät: ihnen wurde längst das schwarz-bunte Fell über die Ohren gezogen. Die verseuchten Kälber aus dem Westfälischen fanden im Spätsommer 1988 nach dem „größten Hormonskandal“, so der nordrhein-westfälische Umweltminister Matthiesen, ein betrübliches Ende in der Abdeckerei. Der Umweltminister hatte in einer spektakulären Aktion 14.000 Kälber beschlagnahmt.

Seit gestern nun stehen der „Kälberbaron“ Felix Hying und einer seiner Getreuen, der Futtermeister Josef Vornholt aus Oeding/ Südlohn im Münsterland, vor Gericht. Zur Sache wollen beide nichts sagen. Hying, Hauptangeklagter im bislang größten deutschen Prozeß um illegale Mastmethoden, überließ sich ungerührt dem Blitzlichtgewitter. Über Vornholts Gesicht huschte ein geschmeicheltes Lächeln, als der Vorsitzende Richter Skawran seinen Spitznamen, „der kleine Doktor“, erwähnte. Jahrelang war Vornholt ständig mit dem Spritzbesteck in Hyings Ställen anzutreffen gewesen. In Südlohn und Umgebung wußten alle Bauern über das Kälberdoping bei Hying Bescheid. Nach seiner Verhaftung gab Vornholt zwar zu, Hyings Kälber gespritzt zu haben, doch habe er ihnen lediglich „Vitamine“ verabreicht.

Mindestens 13.700 Kälber — Fleisch mit einem Marktwert von fast 13,8 Millionen DM —, so die Anklage, soll Hying in eineinhalb Jahren mit synthetisch hergestellten Hormonen gedopt und verkauft haben. Der 52jährige ist wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz angeklagt. Verstoßen haben soll er auch gegen das Lebensmittelgesetz, weil er, so Staatsanwalt Raymund Schneeweis, durch unkontrollierte Hormongaben die KonsumentInnen einem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt habe. Hyings Münsteraner Anwalt Dierksmeier kündigte gestern an, er wolle klären lassen, ob die verwendeten Hormone tatsächlich als krebserregend eingestuft werden müßten. Belangt werden soll Hying außerdem wegen Urkundenfälschung und Betrugs. Zum einen habe er die Abnehmer seiner verseuchten Kälber um deren Gewinn betrogen. Zum anderen hatte er, noch nachdem bereits ein Großteil seiner Bestände beschlagnahmt worden war, versucht, Hunderte von Kälbern heimlich an Schlachthöfe zu verkaufen.

Der Prozeß wird bis weit ins nächste Jahr dauern. Hying, der im Februar gegen eine Kaution von einer Million Mark aus der U-Haft entlassen wurde, meldete für seine Firma Konkurs an. Nachdem der Kalbfleischmarkt zusammengebrochen war, mußten in den letzten beiden Jahren viele kleine Mäster aufgeben, allein fünfzig im Kreis Borken. Reich geworden ist dagegen der Agrarunternehmer Josef Brünninghoff aus Borken, der seine Kälber vor allem im Ausland verkaufte. Er zwang die ruinierten Hying-Bauern in noch schlechtere Lohnmastverträge. In Münster ist er als Zeuge geladen. Von weiteren der insgesamt über dreißig ZeugInnen erhofft sich das Gericht Aussagen über das nach wie vor lukrative Drogengeschäft in den Ställen.