Kabinettsbeschluss Banken-Übernahme: Merkels Angst vor der Enteignung
Die Kanzlerin moderiert, der Finanzminister agiert, der Wirtschaftsminister kommt nicht vor: An der Rollenverteilung im Kabinett ändert sich auch beim Thema Enteignungen nichts.
BERLIN taz Den großen Auftritt überließ Angela Merkel einmal mehr dem Finanzminister. Die Kanzlerin selbst bekundete nach dem Kabinettsbeschluss zur Banken-Übernahme nur knapp, man dürfe kein für das Finanzsystem wichtiges Institut pleitegehen lassen und müsse die finanziellen Belastungen begrenzen. "Wir müssen diesen Weg gehen, um unseren beiden Zielen wirklich auch Rechnung zu tragen", sagte Merkel. "Wir haben das sorgfältig abgewogen. Ich halte dieses Vorgehen für alternativlos."
Ansonsten aber will sich die CDU-Politikerin mit dem Wort "Enteignung" nicht allzu deutlich in Verbindung bringen lassen, an das sich vor allem der Wirtschaftsflügel der Partei erst schrittweise gewöhnen muss. Anders als bei der Garantie der Sparguthaben im vorigen Herbst überließ sie es diesmal dem SPD-Politiker Peer Steinbrück allein, den neuerlichen Paradigmenwechsel in einer Pressekonferenz zu erläutern. Im Gegensatz zu Merkel konnte Steinbrück guten Gewissens versichern, er habe in der Frage der Banken-Verstaatlichung "mit meiner Partei keine Differenzen".
Gleichzeitig wurde am Mittwoch deutlich, dass die Berufung des neuen Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg die Aufgabenverteilung beim Umgang mit der Finanzkrise nicht im Geringsten verändert hat: Merkel moderiert, Steinbrück agiert, der Wirtschaftsminister kommt nicht vor. Gleich zu Beginn sprach Steinbrück von der großen Einigkeit aller, "die sich mit der Finanzmarktkrise kompetent beschäftigen". Das konnte man auch als Spitze gegen Guttenberg verstehen, der zu Wochenbeginn noch von "alternativen Modellen" sprach.
Den deutschen Mythen hielt Steinbrück den Pragmatismus der Briten und Amerikaner entgegen. "Ausgerechnet die Länder im angloamerikanischen Bereich waren die ersten, die mit Verstaatlichungs- und Enteignungsmaßnahmen begonnen haben", sagte der Minister. Dort sei man "nicht im deutschen Idealismus verhaftet, also ob es um Leben und Tod geht". Die Rettung des Finanzsystems müsse man "allein unter instrumentellen Aspekten" betrachten und "keine sehr grundsätzliche ordnungspolitische Debatte aufmachen".
Auf derlei Grundsatzappelle verzichtete die Kanzlerin. Sie setzt im Umgang mit innerparteilichen Kritikern lieber auf die gewohnte Salamitaktik und demonstriert vorerst Zuversicht, auch ohne Enteignung die gewünschte Staatskontrolle über die HRE zu erreichen: "Dafür gibt es Chancen." Wenn es anders kommt - dann ist die Stunde für die "Ultima Ratio", für das "letzte Mittel", eben da.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!