: Kabinett umgebildet - Krise bleibt
■ Newcomer für die angeschlagene Mainzer Regierungspartei / Olympiasiegerin wird Staatssekretärin
Mainz (taz) - Das Mainzer Kabinett ist umgebildet, die Krise der CDU bleibt: Der Mainzer Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner (CDU) wirkte angeschlagen und CDU-Landeschef Hans -Otto Wilhelm spielte nervös mit seiner Krawattenspitze, als beide gestern die Neulinge im Kabinett vorstellten.
Zwei Ministersessel werden neu besetzt: Nachfolgerin der alten Sozialministerin Ursula Hansen (CDU) wird die parteilose aus Danzig stammende Wirtschaftsexpertin Ursula Funke. Nachfolger des Wein- und Landwirtschaftsministers Dieter Ziegler (CDU) wird der Mainzer CDU-Fraktionsvize Werner Langen von der Mosel. Außerdem bestätigte Wagner, daß er nach einem etwaigen CDU-Wahlsieg bei der nächsten Landtagswahl 1991 sein Amt an Wilhelm abtreten werde, und zwar „Ende 1992“.
Außer den MinisterInnen kommen auch neue StaatssekretärInnen zu Zuge: Im Umweltministerium hält die CDU Einzug mit dem bisherigen Unternehmensberater Stephan Michael Götzel. Für das Sozialministerium gewann die CDU die zweifache Olympiasiegerin Ingrid Mickler-Becker (1968 in Mexiko Gold im Fünfkampf; 1972 in München Gold mit der 4 x 100-Meter-Staffel). Wilhelm ließ bereits verlauten, nun sei das Kabinett endlich zu „olympiareifen Leistungen“ fähig.
Wagner und Wilhelm sehen ihre Newcomer als kompetent an. Wilhelm: „Das ist eine Formation mit Frischhaltegarantie, nicht mit Verfallsdatum.“ Aber die Neulinge werden sich nicht einmal einarbeiten können, da bereits im Frühjahr 1991 Landtagswahlen anstehen.
Wagner scheint hinsichtlich eines CDU-Wahlsiegs erhebliche Zweifel zu hegen. Immer wieder schränkte er seine politischen Aussagen gestern mit der Phrase ein: „Wenn wir die Wahl gewinnen.“ Wilhelm dagegen erklärte kämpferisch: „Wir werden für den Wahlsieg fighten!“ Er erwarte, „daß jeder in der CDU hinter der jetzigen Entscheidung stehe“. Abweichlern wie dem Junge-Union-Landeschef Stefan Schwarz will er „noch mal eine Bewährungsprobe“ geben.
Erst im September wird die CDU-Basis gefragt, was sie von den Mainzer Turbulenzen hält. Schon jetzt zeichnet sich Kritik aus der Bundes-CDU ab. So bemängelte der CDU -Bundestagsabgeordnete Johannes Gerster das Vorhaben seiner Partei, mit Wagner in den Wahlkampf zu ziehen, während der Legislaturperiode aber einen Wechsel zu vollziehen.
In der 'Mainzer Allgemeinen‘ sagte Gerster, er halte die Lösung, Wagner als Ministerpräsident „auf Zeit“ aufzustellen, für schädlich. Wenn schon ein Wechsel an der CDU-Spitze vollzogen werde, dann müßte dies „noch vor der Landtagswahl“ geschehen, oder aber gar nicht.
Jow
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