Kabinett beschließt zweites Konjunkturpaket: Deutschland macht Rekordschulden
Die Finanzkrise kann für den Staat enorm teuer werden. Im offiziellen Haushalt ist davon wenig zu sehen. Der Bundesfinanzminister arbeitet mit Buchungstricks.
BERLIN taz Droht etwa langfristig der Staatsbankrott? Deutschland macht jedenfalls Rekordschulden in diesem Jahr: Bis zu 50 Milliarden Euro könnte das Loch im Bundeshaushalt betragen. So groß war das Defizit noch nie.
Doch der Bundesfinanzminister beruhigt. Optimistisch geht Peer Steinbrück (SPD) davon aus, dass in diesem Jahr sogar das Maastricht-Kriterium eingehalten werden kann - dass also die Neuverschuldung nur maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen wird.
Diese magische Defizitgrenze ist allerdings nur noch durch zwei Buchungstricks einzuhalten. Der erste Trick: Der Bundesfinanzminister hat einen Teil der Neuverschuldung einfach in einen eigenen "Investitions- und Tilgungsfonds" ausgelagert. Dieses Sondervermögen soll zusätzliche Ausgaben von 16,9 Milliarden Euro in den Jahren 2009 und 2010 finanzieren: Dazu gehören der Bundesanteil für das kommunale Investitionsprogramm, die Bundesinvestitionen im Verkehrsbereich sowie die Abwrackprämie. Aber dieses "Sondervermögen" zählt eben nicht zum Haushalt des Bundes, womit der Finanzminister seine Neuverschuldung offiziell auf 36,8 Milliarden Euro senken konnte.
Der zweite Buchungstrick ist gravierender: Viele Risiken sind im Bundeshaushalt nicht "eingepreist". Dort finden sich nur jene Kosten, die durch die Konjunkturpakete und die Wirtschaftsflaute entstehen - die Milliarden für die Bankenrettungen fehlen. Sie sind in einem Sonderhaushalt beim Bankenrettungsfonds SoFFin geparkt.
Es ist jedoch unabsehbar, wie viel die Rettung der Banken kosten wird. Bisher hat der Staat Kreditgarantien in Höhe von 100 Milliarden Euro vergeben. Hinzu kommen Kapitalhilfen von 18,2 Milliarden Euro für die Commerzbank, an der der Staat nun ein Viertel der Aktien hält. Noch sind diese Engagements kein schlechtes Geschäft: Für die stillen Einlagen fallen Zinsen an und für die Garantien gibt es Gebühren. Doch sobald auch nur eine einzige deutsche Bank pleitegeht, wird es teuer für den Staat.
Und Pleitekandidaten sind schon in Sicht - wie die Hypo Real Estate, die wohl verstaatlicht werden muss. Zudem sitzen die deutschen Banken auf faulen Wertpapieren von rund 320 Milliarden Euro, von denen erst etwa ein Viertel abgeschrieben sind. Auf den Staat könnten also Belastungen von mindestens 200 Milliarden Euro zukommen, um die Banken zu retten und mit neuem Eigenkapital auszustatten.
Momentan ist die Lage für den Finanzminister noch komfortabel: Eine Neuverschuldung von 50 Milliarden Euro kann die Bundesrepublik problemlos stemmen. Die deutschen Staatsanleihen sind bei Investoren weltweit beliebt, gelten sie doch als ein Hort der Sicherheit. Dafür sind die Anleger auch bereit, extrem niedrige Zinsen zu akzeptieren. Die Umlaufrendite bei Bundesanleihen beträgt wenig mehr als drei Prozent. Noch nie war es für den Finanzminister so billig, sich zu verschulden.
Aber die langfristigen Risiken sind enorm. So geht die Bundesregierung momentan davon aus, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 2,25 Prozent schrumpfen wird. Der Internationale Währungsfonds (IWF) ist da noch skeptischer - und sieht ein Minus von 2,5 Prozent voraus. Dies würde weitere Milliardenlöcher bei den Steuern und Sozialabgaben reißen.
Besonders bedrohlich: Der Wirtschaftsabschwung und die Finanzkrise verstärken sich gegenseitig. Die Banken müssen inzwischen Darlehen abschreiben, die eigentlich solide finanziert waren und die jetzt nicht mehr bedient werden können, weil Gewerbeimmobilien sich nicht mehr vermieten lassen oder Firmen die Kunden wegbleiben. Jedes Promille, das beim Bruttoinlandsprodukt fehlt, lässt die Wahrscheinlichkeit steigen, dass Banken pleitegehen.
Die Bundesrepublik ist nicht bankrott, solange sie ihre Zinsen zahlen kann. Momentan ist dies kein Problem: 43,9 Milliarden Euro sind jetzt als Zinslast im Haushalt 2009 eingeplant. Aber auch der deutsche Staat kann irgendwann überfordert sein.
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