Kabinett beschließt Leistungsschutzrecht: Das Internet zur Kasse bitten
Das Leistungsschutzrecht soll Verlagen eine Handhabe gegen gewerblichen Nutzer geben. Die Regierung hat nun einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht.
BERLIN taz | Nach wiederholtem Verschiebungen, mehreren Entwürfen und viel öffentlicher Kritik hat das Bundeskabinett nun ein Leistungsschutzrecht für Verlage auf den Weg gebracht. Der Inhalt: Suchmaschinen sollen bei Verlagen die Erlaubnis einholen müssen, kurze Textanrisse in ihren Suchindex aufzunehmen, und können dafür zur Kasse gebeten werden. Und laut einer Änderung in letzter Minute nun auch „gewerbliche Anbieter“, „die Inhalte entsprechend aufbereiten“.
Damit hat das Bundesjustizministerium, entgegen zwischenzeitlichen Beteuerungen, nun doch nachgebessert: Statt eine reines Lex Google (denn über 90 Prozent aller Suchanfragen in Deutschland laufen über dieses Unternehmen), wie es im zweiten Entwurf für das Gesetz anvisiert worden war, sollen nun auch sogenannte News-Aggregatoren in die Pflicht genommen werden. Als solche werden in der Gesetzesbegründung Dienste definiert, die „nach Art einer Suchmaschine ihre Treffer generieren oder ihre Ergebnisse darstellen“.
Nicht erfasst werden sollen dagegen Dienste, die verlegerische Leistungen nutzen, indem sie etwa „dem Internet-Nutzer aufgrund eigener Wertung eine Auswahl von Presseerzeugnissen anzeigen“. An anderer Stelle heißt es, „Blogger, Unternehmer der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Verbände, Rechtsanwaltskanzleien oder private bzw. ehrenamtliche Nutzer“ seien von der Lizenzierungspflicht ausgenommen.
Dennoch wird nun heiß diskutiert, welche Dienste neben Suchmaschinen genau vom Leistungsschutzrecht betroffen sein könnten. Newsaggregatoren wie Rivva.de oder nachrichten.de scheinen darunter zu fallen – und man könnte die Gesetzesbegründung so interpretieren, dass Dienste wie die Feuilletonrundschau perlentaucher.de oder unternehmensinterne Pressespiegel aus dem Schneider wären.
Unklar, wer betroffen ist
Das sehen aber nicht alle Beobachter so. Philipp Otto, Redaktionsleiter von irights.info und involviert in die von Google unterstützte Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (Igel), kritisiert die aktuelle Version des Leistungsschutzrechts als schwammig: „Man kann nach jetzigem Stand nicht genau sagen, welche Webseiten oder Dienste davon betroffen sind.“
Jan Mönickes, Justiziar des Bundesverbands deutscher Pressesprecher, befürchtet, dass der neue Text in der Praxis den Anbieter betreffen könne, der „in irgendeiner Weise automatisiert kostenlos verbreitete und frei zugängliche Inhalte auf seiner Seite verarbeitet“. Betroffen sein könnten auch „RSS-Feeds und Twittermeldungen, wenn der Blogbetreiber als ’gewerblicher Anbieter‘ anzusehen“ sei.
Die Frage bleibt auch, wen ein Leistungsschutzrecht in seiner jetzigen Form eigentlich glücklich machen soll. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete es als „ausgewogene Balance“. Als das Justizministerium im Juni einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt hatte, der sämtliche „gewerblichen Nutzer“ von Presseerzeugnissen in die Pflicht nehmen wollte, schaltete sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit scharfer Kritik ein – und dürfte nun froh sein, dass das Gesetz entschärft scheint. Und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), der das Leistungsschutzrecht überhaupt erst aufs Tapet brachte, dürfte froh darüber sein, dass es nicht bei der „Lex Google“ geblieben ist, wie sie im zweiten Referentenentwurf von Ende Juli stand.
Was jedoch bleibt, ist die prinzipielle Kritik am Leistungsschutzrecht: Netzbürgerrechtler kritisieren es als Schutz überkommener Geschäftsmodelle der Verleger und als Innovationsbremse.
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