KURZKRITIK: JAN-PAUL KOOPMANN ÜBER „BORROWED SHAPES“: Der Tiefsinn der Fassaden
Eine lächerlich große Säule dominiert die Fassade eines Prunkbaus, der darum nach antikem Tempel aussieht. Die winzigen Fenster drumherum aber lassen auf beengte Verhältnisse im Inneren schließen. Eiko Grimberg hat Sozialwohnungen in Pariser Trabantenstädten fotografiert und gefilmt, die Star-Architekt Ricardo Bofill Ende der 1970er entworfen hat. Seine Bauwerke stehen hier für eine postmoderne Urbanität, die der Baugeschichte fast beliebig ihre Formen entlehnt: "Borrowed Shapes" daher der Titel der kleinen Ausstellung in der Galerie K.
Grimbergs nüchterner Blick verweigert sich der Doppelung des Monumentalen. Er fokussiert auf Details an den Oberflächen. Verbaute Fenster entlarven die Grenzen von Bofills Utopie der Aneignung von Kulturgeschichte: Man wohnt imposant, aber im Dunkeln. Für ein reflexhaftes "außen hui, innen pfui" aber arbeitet Grimberg zu gründlich. Im Video dokumentiert eine kurze Bahnfahrt entlang nur wenig älterer Wohnbunker eindrucksvoll: Außen so hässlich wie drinnen zu sein, macht auch nichts besser.
Den Weg in die Häuser hat Grimberg dann auch gar nicht gesucht, sondern allein die Fassaden – den Zierrat – studiert. Eben an den Flächen entfaltet sich die Ambivalenz von Bofills Arbeiten. Denn vom Schmuck haben auch die BewohnerInnen etwas – dank großzügiger Höfe und eines künstlichen Sees als Gemeinschafts-Orte. Dazu waren diese französischen Prunk-Sozialbauten erheblich günstiger als Sozialwohnungen in der BRD. Erstaunlich, wie all das in der winzigen Ausstellung erzählt wird. Nur fünf Fotografien und ein Film zeugen auch vom vorläufen Ende der Geschichte. Heute beginnen Bofills Bauten bereits zu zerfallen. Risse, Verschmutzung oder Aufschäumung bereichern die historischen Zitate inzwischen um handfestes echtes Alter.
Bis 19. 7., Galerie K', Alexanderstr. 9b
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