■ KUNSTKLATSCH: Kölner Klüngelkunst
Man sollte einer neuen Galerie wie einer Regierung in der Politik hundert Tage Laufzeit geben, wohlwollend von ihren Absichten sprechen und beiläufig applaudieren.
Jede Galerie will ernst genommen werden. Künstler wie Galerist finden es beleidigend, wenn Kritiker nur schreiben, was ihnen in Pressemappen und informellen Gesprächen souffliert wird.
Der Raum in der Hinterhofetage ist doch passabel. Er war bei der Eröffnung voll wie ein Bus zur Hauptverkehrszeit.
Kein Wunder! Die Kölner sind mit vierzig Frauen und Männern angereist. Die Jungen klüngeln wie die Alten. Sie wollen ihre Truppe durchbringen; die Hinterhofetage ist die hohle Gasse, durch die sie kommen.
Alle Vorreiter aus der Kölner Galerie Nagel? Nicht alle, nur die Heißen und die Hartgesottenen, die den Gütetest in Kunstmagazinen überstanden haben.
Und Michael Krebber als Paradepferd? Kennen wir das nicht bis zum Überdruß: diese bemühte Malerei- Kritik auf Absolventenniveau?
Krebber hatte keine kritischen Absichten: es war ein Karnevalsgag. Es war doch Faschingsfreitag, nicht wahr? Der Galerist Nagel hatte seine Narrenkappe dabei. Wie in Köln. Man kommt mit einem »Alaaf!« zur Vernissage.
So sind sie halt, die Kölner. Sie fühlen sich wohl, wenn sie zusammen, wenn sie unter sich sind und jeder jeden versteht. Hier reichen die Minimalforderungen ihrer Lokalmaximen nicht ganz hin. Hier darf es gerne immer etwas mehr sein, was Konzept und Malerei betrifft.
Es geht gar nicht um das einzelne Bild! Krebber geht es um die Bildproduktion, nicht um Malerei. Es geht darum, um die Bilder herumzuklüngeln und von diesen zu reden — jedenfalls in der Nähe von Bildern. Unwichtig, was an der Wand hängt. Wichtig ist, daß da etwas hängt. Es gibt Rahmen, Leinwand, Farbe; so ist das Bild gemacht, seit es Maler, Aufträge und Sammler gibt. Und wir wissen, daß Krebber das nun auch weiß. Und das ist schön. Und Anlaß zu feiern.
Was folgt daraus? — Krebber macht Fortschritte.
Interessiert uns das? Darum geht es nicht, denn Krebber interessiert — wenn er gerade keine Frauen, Asiaten, Afrikaner oder uns beleidigt —, daß darüber geschrieben wird, Kölner Klüngelkunst ist kommunikativ. Man redet darüber.
So wie wir. Die Vernissage lohnte sich. Und wenn es eine Finissage geben sollte, dann gehen wir wieder hin. Denn da sind alle, die die Szene bereichern: Kunstbetrieb, plus scharfe Jungs und spitze Frauen. Jeder zieht später über einige andere her und ist ansonsten nett und schicklich. Ein Szenetreff.
Boheme? Als das steht es sicher bald in einem Berlin- Führer für anreisende Schulklassen. Aber es ist Plauder-Szene, unsere Szene — Haben wir etwas vergessen, lieber Peter? Ja, wir lieben Michael Krebber als Symptom der Sozial-Kunst.
Und Bruno Brunnet? — Für ihn wollen wir beten. Er muß davon leben. Uns genügen Krebbers kleine Kicks. PH
Galerie Bruno Brunnet: Fine Arts , Wilmersdorfer Straße 60/61, Charlottenburg, Mo.-Fr. 10-18.30; Sa. 10-15 Uhr; nur noch bis 28. März.
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