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Archiv-Artikel

KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Nicht allen Künstlern gelingt der Sprung von der zweiten in die dritte Dimension so scheinbar mühelos wie dem US-Amerikaner Chris Hammerlein, der mit farbigen Tusch- und Kreidezeichnungen auch in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York vertreten ist. In der Galerie Cruise & Callas zeigt der Fünfzigjährige nun statt Flachware figurative Keramikskulpturen. Sein Faible für den Symbolismus ist auch hier erkennbar. Ein hageres Männlein reitet einen Elefanten, ein Löwe bedrängt ein Mädchen in einem deftigen Kopulationsakt, die Rheintöchter Wellgunde, Woglinde und Floßhilde ähneln germanischen Wiedergängerinnen der drei antiken Grazien. Auch vor christlicher Ikonografie schreckt Hammerlein nicht zurück und präsentiert Jesus als Schmerzensmann. Gleichzeitig rau und detailliert modelliert sind die kleinen Plastiken und dabei virtuos glasiert. Einmal mehr zeigt sich hier, dass Keramik nach langer Abstinenz auf dem Kunstmarkt wieder ein Material der Stunde ist. Auch Bertold Stallmach widmet sich formbarer Materie: Styropor, Bauschaum, Plastilin. Sein fabelhafter Animationsfilm „Der Rattenkönig“ kann es mit den Videos von Nathalie Djurberg aufnehmen. Sieben Knetfiguren stolpern durchs Unglück, verfolgt von der titelgebenden Schimäre fünf an den Schwänzen zusammengewachsene Ratten. Stallmachs surrealer Film zeigt den alltäglichen Kampf, sich von Ohnmacht und Unbill befreien zu müssen (bis 2. März, Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Köpenicker Str. 187/188).

In wenigen Tagen feiert Kenneth Anger seinen 86sten Geburtstag. Besonders in den Fünfziger- und Sechzigerjahren war er einer der einflussreichsten US-Underground-Filmemacher, produktiv ist er bis heute. Die Galerie Sprüth Magers ehrt ihn mit zwei Räumen, die eine ehemalige Installation in seinem Wohnhaus wiederauferstehen lassen: „ICONS“ ist ein Archiv von Zeitungsausrissen und Magazintiteln, Starfotos und Promidevotionalien aus der großen Zeit des Hollywoodfilms, die Anger in einem 1975 und 1984 veröffentlichten, skandalösen Klatschbuch genüsslich auseinandernahm. Wie heute lebte der Starkult auch damals in Aufbau und Demontage von Ersatzheiligen. Angers Kurzfilmserie „Airship“ erscheint nur auf den ersten Blick abstrakter. Manipuliert in Kontrast und Farbe hat er Wochenschauaufnahmen von Luftschiffen hintersinnig zusammengeschnitten. Denn was hier schwebt, sind nicht nur elegante Technikfantasien der Dreißigerjahre, sondern auch die fliegenden Propagandazäpfchen der Nazis, deren Traum von der geräuschlosen Eroberung des Himmels mit der „Hindenburg“ 1937 spektakulär in Flammen aufging (bis 23. Februar, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Oranienburger Str. 18).