schaut sich in den Galerien von Berlin um

MEIKE JANSEN

Ich liebe gute Geschichten. Eine Grundvoraussetzung auch für gute Dokumentarfotografie, wie sie zurzeit in den Uferhallen zu sehen ist. Dort laden 25 AbsolventInnen der Ostkreuzschule für Fotografie zu spannenden Reisen ein. Es sind immer wieder die Portraits, die erstaunen. Andreas Krufczik etwa geht seiner Familiengeschichte nach und stößt auf Menschen, deren Gottesfurcht schon lange einem Frömmigkeitswettbewerb gewichen zu sein scheint. Immerhin ist Polen das Land mit den meisten Pilgerstädten zumindest in Europa. Krufczik war über mehrere Jahre immer wieder denjenigen auf den Fersen, denen ihre Souveniers aus den verschienenen Wallfahrtsorten wohl wichtiger sind, als Demut zu praktizieren. Mit Sergej Bitsch reist man im Zug weiter durch exsowjetische Gebiete. Ohne den Zug verlassen zu haben portraitiert Bitsch Reisende und zeigt zärtliche wie überraschend intime Momente. Eine ganz besonders faszinierende Reihe schuf Stefan Wieland in Odessa, deren Intensität in einem kaum beschreibbaren Zustand des Stillstands liegt. Die Augen seiner Protagonisten, seien es die der BewohnerInnen oder die der Stadt selbst, strömen weder Hoffnung noch Hoffnungslosigkeit aus, und trotzdem ist die Hoffnung das, was von den Bildern nachhaltig in Erinnerung bleibt. Mindestens genauso überraschend ist die Selbstdarstellung von Jannic, einem jungen Mann mit Down Syndrom, den Tomas Ablard vorstellt. Ablard dokumentiert so in schwarzweißen Bildern neben Jannics Tattoos vor allem dessen starken Willen. (bis 8. 11., Mo.–Fr. 14–21 Uhr, Sa.–So. 12–21 Uhr, Uferstr. 8)

Nicht nur einen starken Willen, auch einen starken Körper haben die Männer auf den Portraits, die Mona Hakimi-Schüler in ihre Installation integriert. Sie bilden die Basis der Geschichte, die „Nicht alle Helden werden wahrgenommen“ erzählt. Es sind sogenannte Pahlevani, Sportler mit hohen moralischen Ansprüchen vor allem an sich selbst, die noch heute hoch angesehen werden. In lustigen, mit Ornamenten versehenen Hosen schwingen sie bis zu 50 kg schwere Keulen, wirbeln mit Ketten und Brettern. Doch nie geht es darum, wer wen umhaut. Meister wird der Stärkste in Körper und Moral. Varzesh-e Bastani, so heißt diese Mischung aus Body Building und Ringen, wird bereits seit vorislamischen Zeiten in kleinen, tiefer angelegten Becken betrieben. Frauen sucht man selbstverständlich vergebens. Nicht aber bei Hakimi-Schüler, die eine Schaufensterpuppe im Hosenrock mit Schleppe zeigt, die sie aus Stoffen der Sporthosen genäht hat. Unter dem prachtvollen Gewand schützend verborgen, ragen Keulen hervor. (bis 24. 11., nach Anm., uqbar, Schwedenstr. 16)