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KSZE: Militärblöcke historisch überholt

■ 34 Staats- und Regierungschefs diskutieren in Paris neues System europäischer Sicherheit

Bonn (taz/afp) — Der KSZE-Sondergipfel in Paris vom 19. bis 21. November soll nichts weniger als eine neue Epoche in Europa einleiten. An der Seine werden die Staats- und Regierungschefs aus den 34 Teilnehmerstaaten ein Dokument unterzeichnen, in dem die Institutionalisierung des KSZE-Prozesses verankert wird. Mit der Schaffung einer ständigen politischen Organisationsstruktur wird ein erster Schritt auf dem Weg zur künftigen europäischen Friedensordnung zurückgelegt. Nach Auffassung der Bundesregierung markiert die Sonderkonferenz die endgültige Überwindung des Ost-West-Konflikts. Für US- Außenminister James Baker öffnet sie „vielversprechende neue Türen zu einer Zukunft der Demokratie und Zusammenarbeit“.

22 Staaten werden in Paris formal erklären, daß die Beziehungen zwischen Nato und Warschauer Pakt sich fundamental verwandelt haben. Erstmals wird darin nicht mehr von den Blöcken, sondern nur noch von den „beiden Seiten“ gesprochen. Der kalte Krieg wird formell für beendet erklärt. Hauptthema des Pariser Treffens wird die Institutionalisierung der KSZE sein. Die Staats- und Regierungschefs wollen sich künftig alle zwei Jahre treffen, die Außenminister zweimal jährlich. Voraussichtlich in Prag wird ein kleines technisches Sekretariat eingerichtet werden, das für die Organisation der Chef- und Ministertreffen verantwortlich zeichnet. Ein Konfliktverhütungszentrum soll zunächst in Wien seine Arbeit aufnehmen, wo die KSE- und VSBM-Verhandlungen über Abrüstung und Vertrauensbildung mit neuen Aufgaben ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Das wichtigste Instrument des Zentrums ist ein neues, vorerst rein technisches Kommunikationssystem, das künftig alle 34 Hauptstädte miteinander verbindet und sie mit allen im VSBM-Schlußdokument vereinbarten Informationen versorgen wird. Es wird auch für den Austausch abrüstungsrelevanter KSE-Daten genutzt und stellt eine erste Verknüpfung beider Verhandlungsbereiche dar. Die VSBM-Botschafter in Wien erhalten sozusagen einen „zweiten Hut“ und werden als nationale Vertreter im Konfliktverhütungszentrum sitzen. Zahlreiche KSZE-Staaten — vor allem die BRD — wollten dem Zentrum schon jetzt politische Funktionen in den Bereichen Sicherheit und Streitschlichtung geben. Dazu waren insbesondere die USA aber noch nicht bereit. Washington fürchtet eine Aushöhlung der NATO. Die Frage, wo das Zentrum endgültig angesiedelt wird — Bonn und Moskau sind für Berlin — und welches Mandat es künftig erhält, soll auf der nächsten KSZE- Gipfelbegegnung 1992 in Helsinki entschieden werden. Die Bundesregierung sieht in dem Zentrum den Kern für einen ständigen gemeinsamen Rat und eine neue gesamteuropäische Struktur der Kooperation in praktisch allen Bereichen unter Einschluß der Sowjetunion sowie der USA und Kanadas.

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