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KOMMENTARETheater des Absurden

■ Algeriens Militärjunta löst ihr Volk auf und wählt ein neues

Eigentlich ist das Verbot der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) in Algerien, fast zwei Monate nachdem das Militär den Wahlprozeß „unterbrach“, konsequent. Wenn die Führung einer Partei im Gefängnis sitzt, ihre Aktivisten zu Tausenden die Internierungslager in der Sahara- Wüste füllen oder auf der Straße erschossen werden, wenn die FIS-geführten Gemeinderäte aufgelöst sind — was für einen Sinn macht dann noch die legale Existenz dieser Partei? Von nun an ist offensichtlich, was der von der Militärjunta als Marionette an ihre Spitze gesetzte Unabhängigkeitsheld Boudiaf immer leugnete: Die Armee beabsichtigt tatsächlich, den Willen des Volkes zu umgehen; sie sieht die FIS nicht als Repräsentantin von 47 Prozent der algerischen WählerInnen an, die ihr am 26.Dezember ihre Stimme gaben, sondern als illegale, subversive Organisation; sie will das Problem einer abgrundtiefen gesellschaftlichen Spaltung nicht durch Versöhnung lösen, sondern durch die Negierung der Existenz des Gegners.

Hier gilt wie sonst kaum irgendwo Bertolt Brechts Satz von der Regierung, die sich ihr Volk auflöst und ein neues wählt. Die offizielle Politik ist — läßt man die Realität erst einmal außer acht — in sich konsistent: Wenn die Algerier unzufrieden sind, liegt das an der schlechten Wirtschaftslage — nicht zu Unrecht galt die FIS als Partei der Arbeitslosen. Wenn diese verbessert wird, sind sie zufriedener. Daher werden die Bedingungen der Rückzahlung von Auslandsschulden verbessert, was mehr Devisen für Importe im Land beläßt, und deswegen erhalten ausländische Investoren bei der Ausbeutung der Öl- und Gasreserven bessere Chancen, was Arbeitsplätze und Exporte schafft. Irgendwann, so die Hoffnung, geht es den AlgerierInnen dann so „gut“ wie den marokkanischen oder tunesischen Nachbarn, die international als Wirtschaftswunderkinder dastehen und sich nur einmal alle paar Jahre gegen die Diktatur zu protestieren trauen. Hat die Armee Erfolg, wird Algerien ein Land von Schiebern und Duckmäusern, das am schwarzen Golde hängt und am Tropf der Auslandskredite. Und diesem neuen algerischen Volk kann man dann natürlich leider nicht zutrauen, eine vernünftige Regierung zu wählen.

Bis das soweit ist, müßte Algerien allerdings jener vom algerischen Schriftsteller Raschid Mimouni beschriebenen Menschenansammlung ähneln, die in gleißender Sonne stundenlang vor einem Supermarkt Schlange steht und willig und gar mit stillem Entzücken erträgt, daß endlich ein schwitzender Polizist vorbeieilt, um die Wartenden mit Knüppelschlägen zu traktieren. Wahrscheinlicher als dieses Theater des Absurden ist aber immer noch ein Bürgerkrieg — dessen mögliche Brutalität kaum schreckt in einem Land, das vor dreißig Jahren ein Achtel seiner Bevölkerung im Unabhängigkeitskampf verlor. Angesichts der Alternative wäre er sogar moralischer. Dominic Johnson

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