KOMMENTAR: Solidarität
■ Den „Gekürzten“ wurde der Marsch geblasen
Bremens beliebteste Begleitmusik für Demonstrationen aller Art heißt „Lauter Blech“. Doch als gestern im Anschluß an die „Betriebsversammlung der Gekürzten“ ein Demonstrationszug mit Pauken und Trompeten zum Rathaus gehen sollte, hatten die Blechbläser erstmal allen Grund, den Protestierenden selbst den Marsch zu blasen. Mit Blick auf das magere Häufchen von hundert Erwerbslosen, ABMlern und UmschülerInnen, das von der großen „Betriebsversammlung“ noch übriggeblieben war, besannen sie sich auf Brecht und bliesen: „Vorwärts und nicht vergessen, worin unsre Stärke besteht, beim Hungern und beim Essen, Vorwärts und nicht vergessen: die Solidarität“.
Solidarität unter den gut 50.000 Angehörigen der größten Bremer Firma, nämlich des Arbeitsamtes, ist schwer. Die einen verdienen zwei Jahre lang akademische BAT-2-Gehälter und haben als Arbeitslose anschließend immer noch höhere Eingänge auf ihrem Konto als die Jugendlichen, die in Arbeitsamts-Umschulungen einen Beruf erlernen, den sie danach kaum werden ausüben können. Trotzdem war die „Betriebsversammlung“ eine erste Chance. Wie sie zu gemeinsamer Stärke werden könnte, das hat „Lauter Blech“ geblasen.
Dirk Asendorpf
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