KOMMENTAR: Zuckerbrot und Peitsche
■ Südafrika muß belohnt, aber weiter mit Sanktionen in die Verantwortung genommen werden
Das Bild vom südafrikanischen Präsidenten de Klerk, der durch die Hintertür des Königspalastes in Den Haag huscht, weil vor dem Hauptportal einige Dutzend GegnerInnen den Einlaß versperren, spricht Bände. Mit dem Empfang im bisher dem südafrikanischen Regime gegenüber sehr kritischen niederländischen Mutterhaus schließt sich der Kreis für das burische Südafrika — auch diese psychologische Hürde ist überwunden, auch sie lieben uns wieder. Warum also nicht gleich die internationalen Sanktionen aufheben?
Wann, so fragt man sich in EG- und Anti-Apartheid-Kreisen, ist ein politischer Prozeß „unumkehrbar“? Und wann sind demnach Sanktionen überflüssig? Viele haben eine klare Antwort: Erst wenn es eine neue Verfassung gibt und freie und gleiche Wahlen für alle ohne einen irgendwie gearteten Minderheitenschutz für Weiße. Die EG jedoch tendiert schon länger zu einer schrittweisen Aufhebung der Sanktionen, weil sie de Klerk irgendwie belohnen will. Ein sofortiges, bedingungsloses Ende der Sanktionen in der momentanen Situation wäre — dies scheint Konsens — ein politischer Fehler.
Der gute Wille der verhandelnden Eliten reicht nicht. Trotz Mandelas und de Klerks Annäherung verschärfen sich die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Die Regierung trägt dazu noch bei, indem sie dem ANC den Aufbau eigener Strukturen im Land erschwert. Der ANC seinerseits ist mittlerweile in einer schweren Krise und hat sogar seinen für Dezember geplanten ersten Nationalkongreß in Südafrika seit 30 Jahren verschoben, weil die Regierung eine Generalamnestie Tausender Exilierter ablehnt. Die formale Aufhebung rassistischer Gesetze allein ist nicht maßgebend, betrachtet man die rechtsradikale Wut besonders im ländlichen Bereich, wo die alten Gesetze trotzdem weitergelten.
Die internationale Gemeinschaft sollte also die im Fall Südafrika bewiesene relative Standhaftigkeit aufrechterhalten. Maximalistische Forderungen sind moralisch legitim, politisch jedoch schwer umsetzbar. Die EG-Linie der schrittweisen Aufhebung von Sanktionen, gekoppelt an die Einhaltung zentraler und oft formulierter Forderungen (hierzu müßte endlich auch die Säuberung im Sicherheits- und Geheimdienstbereich gehören) ist unterstützenswert, muß aber ein gewisses Tempo einklagen, um den Übergangsprozeß nicht zu verschleppen. Letztlich kann sich die Gesellschaft nur selbst ändern, und dies wird allemal ein langwieriger Prozeß. Daß man dem von außen nachhelfen kann, hat sich allerdings bewiesen. Andrea Seibel
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