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KOMMENTARDoppelter Standard

■ Der UNO-Sicherheitsrat beschäftigt sich mit Bosnien-Herzegowina

Doppelter Standard Der UNO-Sicherheitsrat beschäftigt sich mit Bosnien-Herzegowina

Was man von einem Papiertiger billigerweise erwarten darf, ist grimmiges Aussehen. Der Resolution des UNO-Sicherheitsrats zu Bosnien-Herzegowina mangelt es selbst daran. Gefordert wird, der Generalsekretär solle „ständig kontrollieren, ob der Einsatz von Friedenstruppen in Bosnien möglich ist“. Das Projekt der Truppenstationierung in Kroatien wird „begrüßt“. Ghali soll einen Bericht vorlegen, der untersucht, ob humanitäre Missionen unter militärischem Schutz möglich sind. C'est tout.

Der Antragsentwurf, ausgearbeitet von drei EG- Staaten, folgte einer heftigen Kritik im Sicherheitsrat an der „Kapitulationslinie“ des Generalsekretärs. Dabei hatte dieser mit seiner düsteren Prognose für den Blauhelm-Einsatz in Kroatien und seinem Vorschlag, das UNO-Hauptquartier aus Sarajevo abzuziehen, lediglich die Konsequenz aus der Ohnmacht der ganzen UNO-Friedensmission gezogen. Vor der einzig wirksamen Maßnahme, der Verhängung von Sanktionen gegen Rumpf- Jugoslawien, ist der Sicherheitsrat ein weiteres mal zurückgeschreckt. Hier verflechten sich Motive einer obsoleten Gleichgewichtspolitik mit der Angst, demnächst selbst wegen ungelöster Nationalitätenprobleme international am Pranger zu stehen.

Speziell für die Vereinigten Staaten bietet die Resolution den Vorteil der moralischen Indignation ohne anschließende Zahlungsverpflichtung. Denn die ins Auge gefaßten humanitären Aktionen in Bosnien unterliegen — im Gegensatz zu den Friedensmissionen, die von den USA zu einem Drittel bezahlt werden müssen — der freiwilligen Finanzierung. Jetzt zeigt es sich, daß der spektakuläre Angriff der US-Diplomatie auf Serbien keine wirkliche Kursänderung der amerikanischen Jugoslawien-Politik eingeleitet hat. Der „New Pragmatism“ triumphiert. Wo international die Menschenrechte verteidigt werden, unterliegt dem Nützlichkeitsprinzip. Das gilt selbst dann, wenn ein souveräner Staat wie Bosnien-Herzegowina um Einmischung in seine inneren Angelegenheiten bittet. Lang, unendlich lang, nämlich etwas über ein Jahr ist es her, daß die „New World Order“ verkündet wurde.

Bei ihrer Untätigkeit können sich die westlichen Vertreter des Sicherheitsrates nicht einmal in der zynischen Gewißheit wiegen, zwar ein Volk, das muslimisch-bosnische, in Stich gelassen, dafür aber Frieden auf dem Balkan eingehandelt zu haben. Sie werden mit Krieg konfrontiert sein — und mit ihrer eigenen Schande. Selbst wenn Serbien seine unmittelbaren Kriegsziele erreicht haben sollte, die Muslime werden sich mit der Vertreibung, mit der Zerstückelung ihres Landes nicht abfinden. Und an Waffen wird es ihnen nicht mangeln. Christian Semler

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