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KOMMENTARVormarsch gestoppt

■ Etablierte Parteien und Rechtsextreme erhalten Abfuhr

Der Wahlsieger stand schon am Morgen nach einem Blick zum Himmel fest: Die Partei der Nichtwähler hat ihre Stimmzettel lieber im Freibad abgegeben als an der Wahlurne. Verpufft sind die Wahl-Appelle der Politiker aller Parteien, mit denen in den letzten Tagen nicht gegeizt wurde. Der Kater nach all den historischen Ereignissen, die sich in quälenden Alltag aufgelöst haben, ist für die Wahl-Abstinenz ebenso verantwortlich wie das sichere Gefühl, daß die Bezirke zwar Großstädte sind, aber dennoch nichts zu sagen haben: Politik wird ab morgen wieder im Senat gemacht. Die Beteuerungen der wichtigen Rolle der Bezirke, mit der führende Politiker herumreisten, sind deshalb ein Element der berechtigten Politikverdrossenheit.

Von Baden-Württemberg lernen heißt nicht, siegen zu lernen — nur brauchte es nicht die REPs, um die CDU in den Keller zu bringen. Ob die CDU noch Glück im Debakel eines Stimmverlusts von 14 Prozent hatte, weil die Partei das Thema Asyl aus ihrem Wahlkampf heraushielt, um so den rechtsextremen Parteien nicht noch Wasser auf die Mühlen zu leiten, werden eingehende Analysen belegen. Schließlich gab es bei der CDU auch die kleinen Signale nach rechts außen durch eine Politik der Unterlassung: bei der schofeligen Zurückhaltung bei der Beerdigung von Marlene Dietrich oder dem Fernbleiben der CDU von der Mahnwache vor der Jüdischen Gemeinde. Grund zum Aufatmen hat der Regierende Bürgermeister Diepgen, wegen der Abstinenz in der Asylfrage unter argwöhnischer Beobachtung seiner rechten Parteifreunde, also nicht. Doch die eigentliche Überraschung ist die unerwartete Schlappe der REPs, weil sie nicht einmal das in der Stadt vorhandene rechtsextreme Wahlpotential an sich binden konnten. Bei den rechten Briefkastenparteien, deren Wahlkampf fast ausschließlich auf die gezielte Provokation der politischen Gegner und deren aufgeregten Reaktionen beruhte, ist die Rechnung also nicht aufgegangen. Das ist die beste Nachricht des Wahltags und eine letzte Chance für die etablierten Parteien: Die Wähler haben begriffen, daß dumpfe Parolen nicht kluge Politik ersetzen kann. Jetzt müssen es nur noch die etablierten Parteien lernen. Gerd Nowakowski

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