KOMMENTAR ZU EINEM JAHR ROT-SCHWARZ IN BERLIN: Pure Tristesse

Bestehendes schlecht verwalten statt selber zu gestalten: So lautet die Devise von SPD und CDU in Berlin.

Es war nicht alles schlecht in diesem Jahr: Die Autobahn, die Avus, wird früher fertig. Welch Erfolgsmeldung zum Einjährigen von SPD und CDU! Nur: Die Koalition kann nichts dafür. Mit der Avus-Sanierung im Eiltempo kann sich vor allem der Bund brüsten. Rot-Schwarz hingegen steht – nicht nur in der Verkehrspolitik – vor allem für Krisenmanagement. Und auch das misslingt Klaus Wowereit (SPD) und Frank Henkel (CDU).

Wowereit hat das einstige Prestigeprojekt Hauptstadtflughafen zum Trauerspiel verkommen lassen. Kritik an seiner Arbeit als Aufsichtsratsvorsitzender kommentiert er nur noch mit Selbstmitleid und Bissigkeit.

Henkels Bühne

Henkel wiederum konnte oder wollte nicht begreifen, dass ihm die Untersuchung der NSU-Affäre eine veritable Bühne bot: die des neuen Innensenators und entschlossenen Aufklärers, der V-Mann-Verstrickungen und Aktenvernichtungen von Anfang an öffentlich macht. Stattdessen ließ er Zeit verstreichen, enthielt Informationen vor, gab sich überrascht.

Wer schon beim Management von Krisen so enttäuscht, von dem ist es zu viel verlangt, Politik progressiv zu gestalten. Oder hat sich Substanzielles in Sachen neue Liegenschaftspolitik getan? Nein, die zuständigen Senatoren Ulrich Nußbaum und Michael Müller beschäftigen lieber die Presse mit Anekdoten von ihrer gegenseitigen Abneigung.

Ist von Rot-Schwarz ein überzeugender Plan bekannt, wie man mit den steigenden Mieten, vor allem im sozialen Wohnungsbau, umgehen will? Nein. Zu den 28.000 Wohnungen, für die die sogenannte Anschlussförderung ausläuft, fällt so recht keinem etwas ein. Stattdessen schreibt sich die Koalition 6.700 Wohnungen in ihre Bilanz, deren Neubau die Behörden seit Januar genehmigt haben. Der Senat hat damit nicht viel zu tun.

Bestehendes verwalten

Möglichkeiten zu zukunftsweisenden Akzenten gäbe es durchaus. Ein „Vorbild für klimaschonende Energiepolitik“ soll Berlin werden, steht im Koalitionsvertrag. Sogar einen Gesetzentwurf gibt es: Er sieht Stadtwerke für erneuerbare Energien und ein kommunales Stromnetz vor. Nur: Der Entwurf stammt von einer Initiative für ein Volksbegehren, nicht von der Regierung. Immerhin haben deren Fraktionen angekündigt, der Initiative einen Kompromissvorschlag zu machen. Der lässt bislang auf sich warten.

Bestehendes schlecht verwalten statt selber zu gestalten: So lautet die Devise dieses Senats. Das ist pure Tristesse. Und Aufheiterung ist nicht in Sicht.

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Jahrgang 1985, ist Redakteur im Berlin-Ressort der taz und kümmert sich vor allem um Arbeits- und Wirtschaftsthemen. Vor seiner Ausbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalistenschule in München hat er in Potsdam Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie studiert.

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