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KOMMENTAR SYRIENHoffnung für Syrien

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die verabschiedete Präsidialerklärung ist keine völkerrechtlich verbindliche Resolution. Doch immerhin erhöht sie den Druck auf das Regime.

N ach über neunmonatiger Blockade des UNO-Sicherheitsrates in Sachen Syrien ist seine am Mittwoch mit Zustimmung aller 15 Mitglieder verabschiedete Präsidialerklärung zumindest ein kleiner Fortschritt. Er wurde möglich, weil sich der Text auf das vordringliche Ziel beschränkt, die Gewalt und das Blutvergießen in Syrien so schnell wie möglich zu beenden und die notleidende Zivilbevölkerung endlich mit überlebenswichtigen humanitären Gütern zu versorgen.

Eine derartige Erklärung wäre schon vor Wochen mit Zustimmung Russlands und Chinas möglich gewesen, hätten die westlichen Ratsmitglieder in ihren Textentwürfen nicht stets auf Verurteilung des Regimes in Damaskus, Sanktionsandrohungen und Ultimaten an die Adresse Assads bestanden. Wenn diese Erklärung auch keine völkerrechtlich verbindliche Resolution ist, erhöht sie den Druck auf das für die Gewalteskalation hauptverantwortliche Regime wie auf die mit militärischen Mitteln kämpfenden Teile der Opposition, die Waffen endlich ruhen zu lassen.

Das ist die beste, ja die einzige Chance, einen landesweiten, langwierigen Bürgerkrieg mit vielen zehntausend Toten und dem wahrscheinlichen Zerfall des Landes zu verhindern. Gelingt und hält die Waffenruhe, gibt es auch Spielraum zur Entsendung einer Beobachtermission mit einem weitergehenden Mandat und größerer Bewegungsfreiheit, als sie der ersten gemeinsamen Mission von UNO und Arabischer Liga gewährt wurden.

Bild: Kristin Flory
ANDREAS ZUMACH

ist UNO-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. Zuletzt veröffentlichte er "Die kommenden Kriege - Präventivkrieg als Dauerzustand?" bei Kiepenheuer und Witsch.

Entscheidend für den Erfolg aller weiteren Schritte ist, dass Russland und China eingebunden bleiben und sich aktiv beteiligen. Das erhöht die Chance, dass es nach Sicherung einer Waffenruhe auch zu den für eine politische Lösung unumgänglichen Verhandlungen zwischen Opposition und Regime kommt. Und dass bei diesen Verhandlungen der Machtverzicht Assads vereinbart wird. Wer diesen jedoch zur Vorbedingung macht für Verhandlungen, bewirkt die Fortsetzung und Eskalation der Gewalt.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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2 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • D
    drubi

    Das Töten geht weiter. Die Waffen, insbesondere Panzer, mit denen Homs beschossen wurde rollen weiter, z.B. nach Hama und Idlib.

     

    Wir sollten uns keinen Unsinn einreden, denn eigentlich wollen wir nicht eingreifen.

    Syrien ist eine Diktatur - schon lange. Selbst von den Syriern, die im Golan unter israelischer Verwaltung leben, herrscht Angst vor dem syrischen Geheimdienst - Interviews werden, wenn überhaupt, fast nur anonym gegeben.

    Syrien ist eine Militärmacht, aufgerüstet von Russland, Iran, zunehmend China, vielleicht abnehmend von Frankreich. Es hat - anders als Libyen - mehrmals an militärischen Auseinandersetzungen und Kriegen teilgenommen, besetzte vor noch nicht allzu langer Zeit Teile des Libanon. Eine militärische Intervention wäre sehr wahrscheinlich schwieriger als in Libyen.

    Wir wollen keinen zusätzlichen Ärger mit Russland - der bestehende reicht uns schon. Ob dabei im Schutz Russlands Menschenleben geopfert werden, berührt uns kaum.

    Wir wollen auch keinen Ärger mit der arabischen Liga und der muslimischen Welt. Solange die unter sich nicht einig werden, was geschehen soll, werden eben weiter Menschen sterben.

    Wir wollen wissen, für wen und für was wir das Leben unserer Soldaten riskieren sollen, wenn überhaupt. Die syrische Opposition hat sich gewandelt: erst war der Protest friedlich und gewaltlos, nun werden die Auseinandersetzungen immer gewalttätiger (wobei es immer noch in der Hauptsache Assad ist, der die Lage eskaliert); erst sollte keine ausländische Hilfe ins Land kommen, nun ruft man danach; erst schien der Protest von verschiedenen Bevölkerungsteilen gleichermassen getragen, nun spalten sich immer neue Gruppierungen mit Sonderinteressen (z.B. Salafisten, Wahabiten, etc.) ab. Nicht einmal die Türkei hat eine Ahnung, wie sie sich in dem Konflikt verhalten soll und wahrscheinlich erst aktiv wird, wenn Übergriffe militanter Kurden aus Syrien weiter zunehmen. Doch eine Strategie hat die Türkei nicht - weder politisch noch militärisch.

     

    So ist das eben mit "Sachzwängen" - bevor sie nicht nur auf die Seele sondern auch auf das Gewissen drücken, haben sie meisten schon einige Menschen erdrückt. Wir werden sehen, wie's weitergeht. Wieviele Menschen sterben müssen, bis sich an der politischen Haltung der arabischen Nachbarn und der russischen und persischen Verbündeten etwas verändert - wobei ich Hoffnungen auf letztere beiden wegen deren institutionalisiertem Zynismus für reichlich vergeblich halte.

  • A
    Ant-iPod

    Das sind ja alles schöne Worte, aber worum geht es im Kern?

    Wollen wir Ruhe um jeden Preis - also im Zweifel auch Grabesruhe?

     

    Natürlich muss die Gewalt schnellstmöglich beendet werden und selbstverständlich wäre es wunderbar, wenn wir dies mit Assad erreichen könnten.

    Warum glaubt aber noch jemand, dass dies gelingen kann, ohne dass die eigentlichen Probleme des Landes wieder ungelöst bleiben und sozusagen den nächsten Aufstand vorprogrammieren?

     

    Assad hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass er keine politische Lösung des Konflikts will - und hiermit meine ich nicht seine angeblichen e-Mails, sondern das so genannte Referendum und die so genannte "neue Verfassung" - die beim Lesen eindeutig belegt, dass kein wirklicher Wandel hin zu mehr Demokratie und Pluralismus gewünscht ist.

    Die so genannten "Neuwahlen" sind ein weiterer Beleg - denn jede Partei, die dabei gewählt werden will muss sich zu der "Verfassung" bekennen, die bsw. keine faktische Gewaltenteilung vorsieht- um nur einen Aspekt zu nennen.

     

    Assad könnte jederzeit die Initiative ergreifen und wirklichen politischen Wandel einleiten - aber er hat sich bewusst und absichtlich dagegen entschieden.

     

    Warum glaubt also irgendjemand, er würde diese Haltung ändern, nur weil irgendwelche VN-Gremien dies nun wünschen?

     

    Insofern wäre ein Frieden mit Assad zwar immer noch wünschenswert - aber dies kann offenbar ja nur ein Frieden sein, welcher die Diktatur, die Korruption, die Misswirtschaft, die Ausbeutung, die Unfreiheit, die Unterdrückung etc.etc. fortführt.

    Sollen wir dies wirklich als Ziel beibehalten?

     

    Oder mit welchen Instrumenten will der Author einen Assad eines besseren belehren?