KOMMENTAR Kundus-Einsatz: Feige Anwaltschaft

Mit der Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst Klein bleibt sich die Bundesanwaltschaft treu. Von Anfang an war sie unwillig, sich des Desasters anzunehmen.

Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Oberst Georg Klein, der im September 2009 den Luftangriff auf zwei Tanklaster samt umgebender Menschen befahl, eingestellt. Die Anwaltschaft hat die Regeln des Völkerstrafgesetzbuchs angewendet und offenbar befunden, dass Oberst Klein kein Vorsatz nachgewiesen werden kann, eine unverhältnismäßig hohe Zahl Zivilisten zu töten. Das Bombardement mit bis zu 142 Toten, von denen viele Zivilisten gewesen sein müssen, wird also juristisch keine Folgen haben. Denn das Ministerium erwog bislang noch nicht einmal disziplinarrechtliche Konsequenzen.

Mit der Einstellung der Ermittlungen bleibt sich die Anwaltschaft treu. Von vornherein war der Unwillen der Bundesanwälte, sich des Desasters anzunehmen, offenbar. Zögernd nahmen sie eine Vorprüfung auf, nur unter der Hand gaben sie dann zu, dass man Ermittlungen begonnen habe. Die Vorstellung, man könne gegen einen oder mehrere Soldaten wegen eines kriegerischen Akts prozessieren, sprengte nicht nur die Fantasie der Politiker, sondern offensichtlich auch die mancher Völkerrechtler.

Doch warum eigentlich? Die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens hätte ja nicht bedeutet, dass Oberst Klein die gesamte Schuld für die Katastrophe alleine hätte schultern müssen. Sie hätte aber die Chance geboten, im rationalsten Rahmen, den der Staat zu bieten hat, darüber zu verhandeln, was ein "nichtinternationaler bewaffneter Konflikt" bedeutet. Dies wäre angemessener als das Geplänkel im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der vor allem die ministeriellen Kommunikationswege verhandelt. Es wäre aufschlussreicher als die semantischen Verschiebungen im Regierungs-Sprachgebrauch - weg von Einsatz, hin zu Krieg.

Es wäre eines Rechtsstaats würdig gewesen. Aber es war politisch riskant, denn es hätte den Einsatz erstmals wirklich bedroht. Und darum hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren nicht weiter verfolgt. Und das ist feige.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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