KOMBILÖHNE: KEINE VERTEILUNG VON OBEN NACH UNTEN: Zwei Nummern zu klein
Alle reden vom Kombilohn. Arbeitsminister Walter Riester (SPD) prüft jetzt, ob ein neues Lohnsubventionierungsmodell bundesweit machbar ist oder nicht. Doch nun haben sich die Gewerkschaften deutlich gegen eine flächendeckende Ausweitung der Zuschüsse ausgesprochen. Im Kombilohn steckt nämlich ein Verteilungsproblem.
Nur auf den ersten Blick erscheint die Subventionierung von Niedriglöhnen als eine klare Umlenkung der Steuergelder von oben nach unten. Doch so einfach ist es nicht. Eine Bezuschussung der Lohnkosten oder Sozialbeiträge entlastet vielmehr in jedem Fall auch die Arbeitgeber. Sie müssen nicht mehr marktgerechte Löhne anbieten. Wenn also aus staatlichen Geldern subventioniert wird, dann bedeutet dies nichts anderes, als dass sich nun auch Steuerzahler, also Erwerbstätige, am Lohn anderer Beschäftigter beteiligen.
Die Grünen und auch die CDU finden es besser, wenn ein Jobsuchender arbeitet und ein bisschen Stütze bekommt, als wenn er nichts tut und die volle Arbeitslosenhilfe kassiert. Das klingt plausibel, schafft aber ein neues Gerechtigkeitsproblem. Denn das Modell kann die Nichtsubventionierten benachteiligen und die Bezuschussten bevorzugen. Wie kann man beispielsweise einer schlecht bezahlten Verkäuferin klarmachen, dass ein Langzeitarbeitsloser in einem ähnlichen Job einen Teil seiner Stütze behalten und mit dem Staatsgeld eine Zeit lang sogar ein höheres Einkommen haben darf als die Frau? So zynisch es ist: Die Verkäuferin muss glauben, dass auch ihr dieses Modell hilft, falls sie einmal entlassen wird. Nur dann wird der Kombilohn nicht als ungerecht empfunden und zu einem Verteilungsstreit führen.
Eine verbindliche, bundesweite Ausdehnung der Zuschussmodelle würde allerdings viel zu teuer werden und zudem im Niedrigsektor Lohnstrukturen etablieren, aus denen sich der Staat nicht mehr so schnell verabschieden kann. Kombilöhne sind nur als begrenztes Modell tragbar. Damit ist ihr politisches Potenzial auch schon erschöpft – für den Bundestagswahlkampf ist es zwei Nummern zu klein. BARBARA DRIBBUSCH
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