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KOALITIONSVERTRAGSchleswig-Holstein wird Top-Standort

CDU und FDP wollen die "deutschlandweit wirtschaftsfreundlichsten Bedingungen" für Firmenansiedlungen schaffen. Uneins sind die Koalitionspartner bei der krisengeschüttelten HSH Nordbank

Gute Aussichten für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein. Bild: dpa

Harmonisch und in bester Laune präsentierten stellten die Spitzen von CDU und FDP in Kiel ihren in Rekordzeit verhandelten Koalitionsvertrag vor. "Aufbruch" lautet das Motto des 57-Seiten-Papiers, das ein "Vertrag für die ersten fünf Jahre" sein soll, wie FDP-Landeschef Jürgen Koppelin ankündigte. "Daher steht das eine oder andere nicht drin."

Was bereits drin steht ist, dass 5.600 Stellen in der Landesverwaltung gestrichen werden sollen, unklar ist bloß noch wo - dafür soll es ein Konzept geben, so der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Schleswig-Holstein solle die "deutschlandweit wirtschaftsfreundlichsten Bedingungen" für Firmenansiedlungen erhalten, kündigte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen an.

Durch den Mix aus Sparen und Wachstum will die Regierung weitere Schulden verhindern, das Neuverschuldungsgebot wird in die Landesverfassung aufgenommen. In der Schulpolitik gibt es einen Kompromiss: Gymnasien können entscheiden, ob sie nach acht oder neun Jahren das Abitur anbieten, und die Realschule könnte zurückkehren, falls ein entsprechendes Bürgerbegehren Erfolg hat.

Umstrittene Mehrheit

Drei Stimmen Vorsprung haben CDU und FDP im Kieler Parlament.

Schuld daran ist eine Besonderheit des schleswig-holsteinischen Landeswahlgesetzes, nach dem Überhangmandate einer Partei (in diesem Fall der CDU) nur teilweise ausgeglichen werden.

Das Landesverfassungsgericht prüft derzeit auf Antrag von Grünen und SSW, ob die Mehrsitze der CDU-FDP-Koalition rechtens sind. Ein Eilantrag auf Normenkontrollklage war allerdings am Donnerstag aus formalen Gründen gescheitert.

Schwarz-Gelb setzt auf Windenergie - dazu sollen weitere Flächen ausgewiesen werden - aber Kohle und Atom gelten als zurzeit unverzichtbar. Einsetzen will sich die Regierung dafür, dass Reststrommengen auf jüngere Meiler übertragen werden. Eine unterirdische CO2-Speicherung soll es im Land nicht geben - das ist keine grundsätzliche Kritik an dem Verfahren.

Von den Spannungen der vergangenen Tage, in denen die selbstbewusste FDP mit dem Abbruch der Verhandlungen drohte, war bei der Unterzeichnung des Vertrages nichts zu merken: Dass das Bildungsressort nun in FDP-Hand sei, sei beruhigend nach den Jahren, in denen die Schulen von der SPD "drangsaliert wurden", schmeichelte der neue CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher.

Leicht wird es die FDP, die zum ersten Mal seit 38 Jahren in Schleswig-Holstein wieder mitregiert, der CDU aber nicht machen. Ein Streitpunkt ist die HSH Nordbank: Der Untersuchungsausschuss wird fortgesetzt, und Wolfgang Kubicki wird dann auch die Rolle des Finanzministers Rainer Wiegard (CDU) beleuchten. Schon jetzt hat die FDP erreicht, dass die HSH dem Finanzminister entzogen wurde und nun vom Wirtschaftsministerium unter Jost de Jager (CDU) betreut wird.

Noch nicht fertig ist die Kabinettsliste. Zwar sind die meisten Minister gesetzt - die FDP hat drei Posten herausgehandelt, die CDU erhält vier - aber es fehlt an weiblichem Spitzenpersonal. Carstensen kündigte an, dass die endgültige Liste, die auch die Staatssekretäre umfasst, Frauen geben werde: "Ja, ich weiß, dass das Plural ist." Die FDP muss noch das Justiz-Ressort besetzen, zu dem auch die Atomaufsicht gehört, die CDU hat noch keinen Landwirtschaftsminister benannt.

Die Opposition sieht den Aufbruch nicht: "Widersprüchlich und blass" sei das schwarz-gelbe Konzept, so der SPD-Landeschef Ralf Stegner: "Es wird von Aufbruch gesprochen, aber da wo man konkret geworden ist, geht es rückwärts." Beispiel seien Schulpolitik und Atomausstieg. Robert Habeck (Grüne) spricht von einem "kosmetischen Koalitionsvertrag" und "Wischi-Waschi". Flemming Meyer (SSW) nennt den Kompromiss in der Bildungspolitik einen "Alptraum".

Am 27. Oktober will sich Carstensen erneut zum Ministerpräsidenten wählen lassen.

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2 Kommentare

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  • T
    Turmsicht

    Wie folgerichtig! Von wirtschaftsfreundlichsten Bedingungen orakeln die jetzt scharz-gelben Koalitionäre doch schon immer - die Umsetzung von Finanz- und Wirtschaftsinteressen. Da bleibt für Schleswig-Holstein kaum Raum. Nur zur Erinnerung: Hier existiert die miserabelste Verkehrsinfrastruktur der ganzen Republik, egal ob es sich dabei um Straßen oder Schienenstränge handelt, während gleichzeitig immer mehr Touristen ins Land gelockt werden, die im Verkehr ersticken. Soviel Steuern können gar nicht beschafft werden, um das nachzuholen, was über Jahrzehnte anderen Interessen untergeordnet wurde. Wirtschaftpolitik bedeutet in einem Lande, wo die Wirtschaftminister nach Gutsherrenmanier nach kurzen Antrittsbesuchen wieder ausgetauscht wurden, ohne nennenswerte Veränderungen herbeizuführen, nichts als Schaumschlägerei! Eine Landesbank,die pleite ist, immer weitere Staatsverschuldung und Abhängigkeit vom Tropf des Länder-Finanzausgleichs sind traurige Realitäten. Aber dafür baut man das Land voll mit babylonischen Yachthäfen und luxuriösen Wellnesshotels auf Sylt für die besser bezahlende Klientel. Nur weiter so!

  • V
    vic

    Wirtschaftsfreundlichste Region,

    Atomaufsicht unterliegt Justizministerium.

    Eine absehbare aber bedenkliche Entwicklung.