piwik no script img

KINO PRAWDA

■ „Alle Kinos sind gleich, manche gleicher“

In der Kinolandschaft Berlins tut sich was. Die Initiative zu den Veränderungen geht diesmal von den verschiedenen Hausbesitzern aus. So gab die Berolina Immobilien für das Gebäude der „Kurbel“ einen Architektenprüfauftrag, der den Einbau eines zweiten Kinos vorbereiten soll. Die jetzige Kurbel soll dabei keineswegs geteilt oder verkleinert werden, sondern ein kleineres Kino (ca. 150 Plätze) zusätzlich im Wohn- und Geschäftshaus untergebracht werden. Der Kommentar des Kurbeltheaterleiters: „Wir haben seit längerem grundsätzliche Überlegungen zu einem zweiten Kino angestellt. Damit können wir unsere Programmarbeit abrunden.“ Schließlich gehört die Kurbel zur Betriebsgruppe des Kant-Büros mit seinen drei Kinos (Kant eins, zwei & Kid -Kinohutschachtel). Doch macht der Hausbesitzer bereits Nägel mit Köpfen. Ein Münchner Architektenbüro ist mit der Ausbauplanung beauftragt. Mehrere Wohnugen neben und über der jetzigen Kurbel sind bereits geräumt. So scheint der Hausbesitzer, der Grundrendite wegen, bereit zu sein, den zweiten Kinoausbau auch ohne Partizipation des Kurbelimperiums durchziehen zu wollen. Die Konkurrenz im eigenen Haus.

Bei den Immobilienbesitzern ist es längst Gebrauch, ihre Entscheidungen über die Köpfe und ohne Mitwissen der betroffenen Kinomacher zu treffen. Kürzlich wechselte das Haus Bundesallee 111 den Besitzer; das wäre nicht weiter tragisch, hätte der stolze Neubesitzer nicht flugs eine Maklerin beauftragt, für das Cinema einen neuen Betreiber zu suchen. Natürlich ohne vorherige Anfrage bei Kinopächter Udo Zyber („Mein Pachtvertrag läuft erst Ende des Jahres aus, und ich denke nicht daran aufzuhören). Doch die Fachfrau verschickte fotokopierte Angebote an alle Berliner Kinobesitzer. Kloster/Steenwert vom Broadway-Kino meldete schon mal vorab Interesse („um ein traditionsreiches Kino zu retten„; das siebente Rettungsprojekt). Udo Zyber wertete denn die ganze Aktion als Versuch, ihm mit einem neuen Mietvertrag wesentlich schlechtere Vertragsbedingungen aufzudrücken (verdoppelte Miete usw.)

Gekündigt wurde vor geraumer Zeit bereits auch den Enthusiasten des Kinosenkrechtstarters „Sputnik“ im Wedding. Das Gelände, blockweise vom Pharmagiganten Schering aufgekauft, soll im nächsten Jahr plattgemacht und für einen weiteren Verwaltungskomplex genutzt werden. Der Architektenwettbewerb des Pharmaverkäufers ist dieser Tage entschieden worden. Die Aufträge werden demnächst vergeben. Gekündigt wurde der Sputnikcrew fristgerecht zum 30. April nächsten Jahres, Übergabe besenrein versteht sich! Zwar gibt es in den nächsten Tagen auf verzweifelte Vermittlungen des Weddinger Bürgermeisters Spiller eine Gesprächsrunde zwischen Kinoleuten und Arzneiproduzenten. Aber das dürften mehr Scheingefechte sein. Sagte doch Spillers Baukollege im eigenen Haus: „Kulturpolitik ist ein bauliches Problem.“ Klar und deutlich! Nach dem Abriß hätte der 140.000 Einwohner zählende Bezirk gerade noch ein ganzes Kino, nämlich das Alhambra!

Und dann gibt es in dieser Kulturstadt noch ein paar Kinos, von denen kein Normalbürger etwas weiß. Filmvortragssaal werden die Räumlichkeiten oft genannt. Meist sind sie, wie das Kino im Martin-Gropius-Bau, großzügig ausgebaut, aus Steuermitteln mit Kinotechnik vom Feinsten ausgerüstet, und gleichsam als ungeliebtes Adoptivkind im Gebäude (hier: Keller) versteckt. Genutzt werden die repräsentativen Räumlichkeiten ab und zu für wenige Spezialvorführungen wie zur Zeit mit einer die aktuelle Ausstellung begleitenden Filmreihe zum „Mythos Antike“. Die Aufzählung solcher Kinos kann man fortsetzen, z.B. mit dem Kino im Centre Fran?ais de Wedding. So bleibt erstmal nur frei nach G. Orwell: „Alle Kinos sind gleich, manche gleicher.“ Einige Kinos werden genutzt, andere geschont. Fragt sich nur wofür?

mosch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen