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KINDERGELDERHÖHUNG SOLL TEILWEISE IN KINDERBETREUUNG FLIESSENEltern entscheiden lassen

Drei Kinder. Dreimal das Problem, die lieben Kleinen morgens in den Kindergarten zu bringen. „Stinklangweilig. Da wiederholt sich alles“, heißen ihre Argumente. Sicher, viele Eltern, die einen Betreuungsplatz suchen, hätten gerne solche Probleme. Deshalb sind rot-grüne Plädoyers für „mehr Horte und schulische Ganztagsbetreuung“ so häufig wie bisher folgenlos: Außerhäusliche Kinderbetreuung ist Aufgabe von Ländern und Kommunen. Mit dem nun von Bundeskanzler Schröder bekräftigten Vorschlag, die für die Kindergelderhöhung vorgesehenen 5,7 Milliarden Mark teilweise in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren, ist die Zeit unverbindlicher Floskeln vorbei.

Was aber sind die Ziele öffentlicher Kinderbetreuung? Bislang jedenfalls stehen nicht die Kinder im Mittelpunkt. Sondern das „Vereinbarkeitsproblem“ berufstätiger Eltern. Und die Forderung des Sozialversicherungssystems nach möglichst lückenloser Erwerbstätigkeit. Andere Wünsche von Eltern und Kindern zählen nicht: Jede zweite Mutter – und peinlich wenige Väter – wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Und wollen Kinder und Jugendliche wirklich mehr Schule?

Souverän ignorieren viele Plädoyers für Hort und Ganztagsschule auch die Fachdebatte: Zwar ist insbesondere für Kinder aus schwierigen Verhältnissen eine öffentliche Kinderbetreuung wichtig. Besser eine gute öffentliche Betreuung als eine problematische Erziehung zu Hause. Doch sehr vielen Kindern mangelt es auch an emotionalem Rückhalt. Familie ist – zumindest im Ideal – der Ort, wo Heranwachsende hingehen können, wenn sie Zuwendung und Halt brauchen. Selbst engagierte Kindergärten und Schulen können dies nicht leisten. Deshalb muss erörtert werden, inwieweit öffentliche Einrichtungen einen Familienersatz bilden können – und sollen.

Ein Verzicht auf mehr Kindergeld zugunsten außerhäuslicher Kinderbetreuung würde hier eine skandalöse Vorentscheidung treffen. Eltern, die eine Erwerbstätigkeit zeitweilig einschränken, wären zweifach die Dummen: Einerseits verzichten sie auf ein Erwerbseinkommen und werden nicht durch mehr Kindergeld entschädigt. Andererseits nützt ihnen ein Mehr an Betreuung nichts. Einen Ausweg bildet die Stärkung elterlicher Entscheidungsfreiheit. Würden alle Eltern etwa über ein Familiengeld vermehrt direkt gefördert, könnten sie wählen: Entweder verzichten sie zeitweilig auf eine Erwerbstätigkeit und werden dafür entschädigt. Oder wenn sie fortgesetzt arbeiten, können sie damit eine qualifizierte Kinderbetreuung finanzieren. HARRY KUNZ

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