KATZENMUSIK IN DEN FERIEN : Huf und Nagel
Im Viertel streunen schon am frühen Morgen zwei Jungs herum, die vielleicht gerade mal über zehn sind. Na ja, so früh auch wieder nicht, eher so gegen Mittag, aber da Ferien sind, liegen die Straßen noch in einem angenehm lulligen Zustand da und ich gehe automatisch etwas langsamer, weil um mich herum auch alles einen Gang zurückgeschaltet hat. Ich fühle mich fast schon wie ein Flaneur.
Und da schlurfen die beiden Jungs durch die Gegend und machen Rabatz. Der eine quäkt mit einer Melodika, der andere quetscht ein Akkordeon, beides zusammen ergibt Katzenmusik. Sie tun das lustlos, albernd, und manchmal stellen sie sich Leuten in den Weg, die dann um sie herumgehen müssen. Aber niemand spornt sie zu besseren Leistungen an. Es sind keine Kinder aus einem der wohlbehüteten grünalternativen Elternhäuser, von denen es hier wimmelt, sondern Kinder mit migrantischem Hintergrund. Irgendwo aus dem Südosten, würde ich mal grob schätzen.
Gott sei Dank sind nicht alle so ignorant wie ich. Ein Fahrradfahrer mit Helm und um die sechzig bremst neben zwei anderen Jungs, die mir gar nicht aufgefallen sind, weil sie keine Melodika quälen. „Du bist doch Filipino“, sagt der Mann zu einem der beiden, der ratlos guckt, weil er nicht Deutsch spricht. Der andere Junge guckt auch ratlos, kann aber Deutsch, ist sogar Deutscher und nickt. Der Mann ist ganz begeistert, weil er einen echten Filipino entdeckt hat. „Ich hab einen Filipino zu Hause. Kommt doch mal vorbei. Können sich die beiden unterhalten“, sagt er. „Hier um die Ecke, Hausnummer 25, bei Hufnagel klingeln. Huf wie das hier.“ Er zeigt auf seinen Fuß. „Und Nagel, den man mit dem Hammer einschlägt. Kommt doch vorbei.“
Ich bin beeindruckt, dass der Mann einen Filipino auf Anhieb erkennt. Nur das mit dem Huf und dem Hammer gibt mir zu denken. KLAUS BITTERMANN