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KARL K . KITCHEN

■ GESCHMACK UND GRÖSSE

Das Aussehen der Menschen selbst hat sich zu einem bemerkenswerten Grad verbessert. Man sieht zwar zur Sommersmitte wenig Zur-Schau-Tragen von besonders auffälligen Kleidern, aber ein Besuch des Kroll-Gartens oder eines anderen der vielen Freiluft-Tanzstätten, die von jüngeren Leuten frequentiert werden, ist eine Offenbarung für die, die nur das Berlin der Vorkriegsjahre kennen. Nicht nur, daß die jüngere Frau schlanker ist und sich mit mehr Geschmack anzieht als in früheren Jahren, macht auch die Majorität der Männer einen erheblich besseren Eindruck. Die Vorliebe für athletischen Sport aller Art ist eine der hervorstechendsten Folgen der neuen Tendenz für Gewichtskontrolle. Die größeren Schönheitsanforderungen, die man unter den jüngeren Frauen durch das ganze Land hindurch findet, sind wohl eine der vielen wesentlichen Verwandlungen in Deutschland. Seit dem Kriege ist naturgemäß diese Verbesserung am deutlichsten in Berlin zu sehen, der Stadt mit dem größten Wohlstand. Eine der charakteri stischsten Züge der Deutschen von heutzutage ist, alles was sie tun, großzügig zu tun. Sie sind stolz auf ihre massigen und riesenhaften Gebäude, ob diese für Warenhäuser, Restaurants oder Geschäftszwecke genutzt werden. Berlin hat das größte Bankgebäude der Welt. Das Warenhaus Wertheim, ein Wunder im Entwurf und in der Durchführung, ist das größte auf dem Kontinent. Das neue „Haus Vaterland“, ein Restaurant von mehr als 6.000 Sitzen, das vor zwei Jahren eröffnet wurde, ist das größte Etablissement dieser Art der Welt! Die neuen Gebäude, die in Berlin seit der Marktstabilisierung 1924 erbaut wurden, schließen den Riesenbau von Karstadt ein, der im Herzen des Arbeiterviertels entstand, ungeheure Fabriken und Hunderte von eleganten Wohnhäusern, neue Geschäftshausviertel sind entwickelt worden, wie am Reichskanzlerplatz, der westlichsten Ecke der Stadt, und Tausende von modernen Arbeiterhäusern werden am Nordende erbaut.

Unter dem Titel „Die Mode der Figurenkontrolle“ erschien dieser Artikel des amerikanischen Journalisten Karl K. Kitchen am 23. Oktober 1930 in der 'New York Sun'.

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