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KANZLER WILL MINISTER AUSTAUSCHEN: EINE GELUNGENE SPEKULATIONSteuern durch Feuern

Es ist zwar nur eine Spekulation – aber eine gute. Denn sie wird nicht ignoriert, sondern beschäftigt die Politiker in der Sommerfrische. Gestern meldete Bild, dass Peter Hartz der neue SPD-Superminister für Arbeit und Wirtschaft werden soll. Die Bundesregierung dementierte sofort – doch das half nicht wirklich. Das Gerücht bleibt in der Welt, dass Arbeitsminister Walter Riester und Wirtschaftsminister Werner Müller auch dann demissionieren müssen, wenn Kanzler Schröder die Bundestagswahl gewinnt.

Die Bild-Kolportage funktioniert, weil sie daran erinnert, dass es auch nach acht Ministerrücktritten noch Personalprobleme in der Regierung gibt. Exmanager Werner Müller fällt nur auf, wenn es die Interessen der großen Energiekonzerne zu verteidigen gilt. Und Walter Riester ist zwar ein kenntnisreicher Rentenexperte, aber politisches Krisenmanagement liegt ihm nicht. Das zeigte sich, als es den Vermittlungsskandal bei den Arbeitsämtern zu bewältigen galt. Dieses doppelte politische Vakuum hat die Union bisher ausgenutzt, indem sie Lothar Späth als „Super“-Kompetenzkandidaten für Arbeit und Wirtschaft nominierte.

Die Bild-Kolportage funktioniert zudem, weil sie wie ein typischer Schröder wirkt. Jedes Problem wird personalisiert – unabhängig vom Personal. Der Kanzler steuert Politik, indem er Mitarbeiter aussteuert. Bei großen Krisen neigt er zum Doppelschlag: Als BSE Deutschland erreichte, mussten Gesundheitsministerin Andrea Fischer und Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke gehen. Jetzt ist Stimmungstief im Wahlkampf, da waren Telekom-Chef Ron Sommer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping fällig. Warum also sollte es nicht das Duo Riester und Müller treffen?

Die Bild-Kolportage funktioniert schließlich, weil Peter Hartz zu seiner angeblichen neuen Rolle passt. Auch wenn er sich bisher VW-Personalchef titulierte: Er ist Politiker. Er hat mit betriebswirtschaftlichen Lösungen die Volkswirtschaft verändert; VW hat mit der 32-Stunden-Woche oder dem Modell 5.000 x 5000 Tarifgeschichte geschrieben. Daher wird die Bild-Kolportage nicht die letzte bleiben – denn es gibt Hartz und es gibt die Personalprobleme in der Regierung. ULRIKE HERRMANN

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