Kölner Moschee-Bau: "Man muss bereit sein, ein Risiko einzugehen"

Der islamische Dachverband Ditib will in Köln eine repräsentative Moschee bauen. Bekir Alboga, der Dialogbeauftragte des Verbands, steht seitdem in der öffentlichen Kritik. Berechtigterweise?

Die Gegner haben eine sehr altmodische Vorstellung von sakraler Architektur Bild: dpa

taz: Herr Alboga, seit Ihrem Streitgespräch mit Ralph Giordano wird bundesweit über den Kölner Moscheebau diskutiert. Das Projekt ist sehr umstritten. Sie sind Dialogbeauftragter von Ditib, dem Bauherren. Was haben Sie falsch gemacht?

Bekir Alboga ist 1963 im türkischen Konya geboren, nach dem Abitur auf einer islamischen Oberschule kam er 1980 nach Deutschland. In Göttingen studierte er Islamwissenschaften und Publizistik. Alboga war Imam der größten Moscheegemeinde in Mannheim und Leiter des dortigen Instituts für deutsch-türkische Integrationsstudien und interreligiöse Arbeit. Seit 2004 ist er Dialogbeauftragter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) in Köln, des größten Dachverbands der Muslime in Deutschland. Er vertritt 870 Moscheen. Alboga ist Mitglied des Integrationsgipfels und der Islamkonferenz der Bundesregierung und einer der Autoren des "Islamischen Wortes" des SWR. Die Ditib, die eng mit dem türkischen Staat verbandelt ist, will in Köln-Ehrenfeld eine repräsentative Moschee errichten. Dieser Plan hat nicht nur die rechtspopulistischen Moscheegegner "Pro Köln" auf den Plan gerufen, sondern auch den Schriftsteller Ralph Giordano. In einem Streitgespräch mit Alboga im Kölner Stadtanzeiger und zahlreichen Beiträgen und Interviews in anderen Medien hat Giordano die Stadt aufgefordert, den Moscheebau zu stoppen. Die Integration der Muslime sei gescheitert. SAM

Bekir Alboga: Ich weiß es nicht: Wir haben für die Moschee einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben, in dem Auswahlgremium saßen mehr christlich-deutsche Teilnehmer als türkisch-muslimische. Wir haben nicht festgelegt, wie hoch die Kuppel und das Minarett sein sollen, das hat der Architekt gemacht. Wir dachten, der Stadtrat ist informiert, das Bauamt, die Kirchen und die Nachbarn sind informiert - das reicht.

Hat es offensichtlich nicht.

Ja, plötzlich hat sich eine Gruppe gebildet, die gegen den Moscheebau ist. Solche Gruppen kennen wir auch aus anderen Städten, zum Beispiel aus dem fränkischen Wertheim. Auch dort wurde mit Fehlinformationen gearbeitet und den Leuten Angst gemacht. Womit ich nicht gerechnet habe, waren die Einwürfe von Herr Giordano. Von einem Intellektuellen habe ich ein anderes Niveau erwartet. Er muss doch als Teil der jüdischen Minderheit in Deutschland wissen, wozu diese populistische Entwicklung führen kann. Innerhalb eines Jahres hat nach Umfragen die Angst vor dem Islam um zehn Prozent zugenommen!

Wieso ist Giordanos Position bundesweit abgefragt worden und Ihre nicht?

Herr Giordano ist ein bekannter Schriftsteller. Mich kennen die Leute nicht. Außerdem bin ich Muslim. Es ist ja nicht das erste Mal, dass ich diese Erfahrung mit den Medien gemacht habe. Zu Sabine Christiansen bin ich jüngst erst eingeladen und dann wieder ausgeladen worden. Wir brauchen einen Muslim mit radikalen Ansichten, hieß es.

Warum brauchen Sie eine so große Moschee?

In Köln leben 120.000 Muslime, 80 bis 90 Prozent von ihnen sind türkischstämmig, Ditib vertritt die Mehrheit von ihnen. Wenn wir heute das Freitagsgebet abhalten, beten die Gläubigen im Kellerraum der alten Fabrik und draußen auf dem Boden. Das ist kein würdiges Beten. Außerdem wollen wir unsere Integrationsarbeit stärken, unsere Jugend- und Frauenarbeit. Dafür brauchen wir Räume. Und wir müssen Räume vermieten, damit wir die Moschee finanzieren können.

Dann gibt es ein Café, einen Friseur, einen Gemüsehändler. Kritiker sagen: Muslime können hier künftig alles erledigen, Kontakte zur deutschen Gesellschaft brauchen sie nicht mehr.

Wer die Räume mieten wird, steht noch nicht fest. Das können auch deutsche Händler sein. Wir müssen doch diese Arbeit finanzieren können.

Aber wahrscheinlich werden sich dort türkische Händler mit Angeboten niederlassen, die zu einer Moschee passen.

Nicht unbedingt. Wichtig ist: Wir wollen eine offene Moschee, wie ich sie in Mannheim eingeführt habe. Wir stehen jeden Tag mit der deutschen Gesellschaft in Kontakt. Allein anlässlich des Kirchentages in Köln waren etwa 200 Kirchentagsbesucher beim Freitagsgebet im Gebetssaal, manche der Frauen fast nur im Bikini. Außerdem haben wir gerade eine Veranstaltung zur Situation der Frau im Islam gemacht und viele der deutschen Nachbarn sind gekommen.

Konnten Sie deren Skepsis ausräumen? Auch Ralph Giordano hat das muslimische Frauenbild kritisiert und vor allem die Burka.

Wenn er die Frauen, die eine Burka tragen, nicht mit Pinguinen verglichen hätte, hätte ich ihm recht gegeben. Die Unterdrückung der Frau hat in allen Gesellschaften stattgefunden. Wir wissen doch, dass nicht nur Mehmet seine Frau schlägt, sondern auch Hans.

Aber seine Grete trägt keine Burka.

Ich bin gegen die Burka. Als Muslim, Islamwissenschaftler und Imam. Für mich verletzt die Burka die Würde der Frau.

Berichten zufolge tragen muslimische Frauen hierzulande häufiger das Kopftuch. Ist das für Sie eine gute Nachricht?

Es ist schön, wenn Religion frei praktiziert wird. Das fördert die Integration. Ich bin dafür, dass eine Frau Kopftuch trägt, wenn sie es möchte.

Ist das eine religiöse Pflicht?

Ein religiöses Gebot. Aber auch Frauen, die kein Kopftuch tragen, sind und können gläubige Musliminnen sein.

Was würden Sie sagen, wenn ihre Tochter das Kopftuch ablegen würde?

Das ist ihre Entscheidung.

Bischof Huber hat kritisiert, dass bei Ihnen Frauen und Männer getrennt beten. Warum muss das so sein?

Warum fordert er nicht die orthodoxen Christen dazu auf, diese Trennung aufzuheben? Bei seinen orthodoxen Glaubensgenossen in der Türkei und andernorts beten Frauen und Männer getrennt.

Lassen Sie uns über die Muslime reden.

In der ersten Moschee des Islam gab es weder eine Frauenempore noch getrennte Räume für das Gebet. Im Islam ist die Teilung nicht vorgeschrieben. Das halten wir theologisch erst mal fest. Ich war dreimal in Mekka und habe dort Schulter an Schulter mit muslimischen Frauen um die Kaaba herum gebetet, das geht also.

Wäre es möglich, diese Trennung in Deutschland aufzuheben?

Es wäre gut, vorausgesetzt, wir würden Grundstücke finden, bei denen der Platz auch ohne Empore für alle ausreicht. Dann könnten wir den Frauen anbieten, im selben Gebetsraum zu beten.

Es geht doch nicht um Platz, sondern um den Willen.

Ja, zugegeben, wir sind noch nicht so weit. Es gibt bei uns sehr konservative Leute. Es ist schon ein Wagnis, dass sich der Vorstand dafür einsetzt, Frauen in die Vorstände zu wählen. Aber wir haben inzwischen mehrere Vorstandsfrauen, wir versuchen es bei jeder neuen Moschee. Und wir haben bereits 13 muslimische Predigerinnen.

Die nur vor Frauengemeinden vorbeten und predigen.

Momentan. Aber es ist ein Stein ins Wasser geworfen und der zieht Kreise.

Die weitaus meisten Imame kommen noch immer direkt aus der Türkei, die deutsche Gesellschaft kennen sie nicht. Sie werden vom Amt für Religionsangelegenheiten, dem Diyanet, nach Deutschland geschickt.

Wir haben hierzulande keine islamische Hochschule, an der wir Imame ausbilden könnten. Was bleibt uns übrig, als Imame aus der Türkei nach Deutschland zu holen? Wir wollen, dass sie eine weltoffene Ausbildung genossen und ein Hochschulstudium absolviert haben. Seit gut fünf Jahren lernen diese Imame Deutsch und bekommen Landeskunde-Unterricht, bevor sie hierher entsendet werden. Wir nehmen jetzt auch Abiturienten aus Deutschland und bilden sie in Ankara aus.

De facto ist Ditib zwar keine direkte Dependance des Diyanet in Ankara, aber verlängerter Arm der türkischen Regierung - auch das ist Kritikern suspekt.

Nein. Wer das sagt, kennt die Struktur von Ditib nicht. Wir sind ein nach dem deutschen Recht gegründeter Verein, wir haben viele Mitglieder, die deutsche Staatsbürger sind. Aber wir sind eine junge Organisation. Geben Sie uns Zeit.

Der Vorsitzende von Ditib ist quasi Botschafter des türkischen Staates. Er kommt aus der Türkei und spricht kein Deutsch.

Unser Vorsitzender ist Botschaftsrat, gemäß dem Abkommen Deutschland-Türkei. Die deutschen Pfarrer in Istanbul sind auch beim deutschen Generalkonsulat angestellt. Unser neuer Vorsitzender, ist seit fünf Monaten hier. Er war beim Diyanet angestellt, hat in Rom katholische Theologie studiert, er kann Englisch, Italienisch, Arabisch und Türkisch und lernt jetzt erfolgreich Deutsch.

Selbst die Freitagspredigten kommen nach wie vor zentral aus Ankara, oder?

Ja, aber wir haben jetzt in jedem Bundesland ein Gremium gebildet, das darauf hinarbeitet, dass die Gemeinden ihre eigenen Predigten verfassen.

Sie behaupten, für einen modernen Islam zu stehen. Was tun Sie gegen patriarchale Traditionen, gegen Zwangsehen und Ehrenmorde?

Da sind wir sehr sensibel, eine solche Tat ist nicht mit dem Islam zu vereinbaren. Man soll Sippentraditionen aus dem Südosten der Türkei nicht mit dem Islam gleichsetzen. Der Islam hat den Stein der modernen Zivilisation ins Wasser geworfen.

Ehrbegriff und Islam werden aber vermengt, auch von den Tätern. Was tut Ditib dagegen?

Wir haben gemeinsam mit Christen eine Fachtagung gegen häusliche Gewalt, Zwangsehen und Ehrenmorde gemacht. Die Dokumentation von dieser Tagung verteilen wir überall. Nach dem Mord an Hatun Sürücü wurde in unseren Moscheen eine Predigt verlesen, die klargestellt hat, dass eine solche Tat nicht mit dem Islam vereinbar ist.

Sie haben sich mit anderen Verbänden zum "Koordinierungsrat der Muslime" zusammengeschlossen, darunter auch mit dem Islamrat, in dem die Organisation Milli Görüs, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, eine wichtige Rolle spielt. Kompromittiert sich Ditib?

Alle wissen, dass unsere Prinzipien nicht verhandelbar sind. Nicht ohne Grund haben wir darauf bestanden, dass Ditib ein Vetorecht im Koordinierungsrat bekommt.

Warum?

Ditib ist die mitgliederstärkste Dachorganisation der Muslime in Deutschland. Die Geschäftsstelle liegt bei Ditib und wir haben dieses Vetorecht. Das ist wichtig. Wichtig ist auch: Alle Gründungsmitglieder des Koordinierungsrates bekennen sich zum Grundgesetz und halten die Verfassung der BRD für vorbildlich. Darüber hinaus gilt: Wenn man den intrareligiösen Dialog fördern möchte, muss man bereit sein, ein Risiko einzugehen.

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