Juventus Turin geschwächt: Die Atom-Ameise ist müde
Nach einer langen Siegserie verliert Juventus Turin gegen Palermo. Ein Grund dafür: Wegen des Ramadans trat Schlüsselspieler Mohamed Sissoko geschwächt an.
Mohamed Sissoko ist 23 Jahre alt und führt seit Januar 2008 das Mittelfeld von Juventus Turin an. Als Schlüsselspieler wird er gerne bezeichnet, der robust und agil zugleich das Spiel der Italiener antreibt. Auch ihm und seinen Regiekünsten ist die Auferstehung der "alten Dame" zu verdanken, die in dieser Saison wieder zu den Favoriten auf den Scudetto, den italienischen Fußball-Meistertitel, zählt. Dabei musste sich Juventus gerade erst vom Manipulationsskandal erholen und von der zweiten Liga nach oben zurückarbeiten. Juve schien zu alter Stärke zurückgekehrt zu sein, doch dann kam der Ramadan, Sissoko begann zu schwächeln und Juventus hat nach diesem Sonntag zum ersten Mal in der Spielzeit - nach elf Partien ohne Niederlage - verloren, zuhause in Turin, 1:2 gegen US Palermo, ein bislang wenig Furcht einflößendes Team.
Tatsächlich führen Teile der italienischen Sportpresse die Kausalkette Fastenzeit-Sissoko-Niedergang an, um den Leistungsabfall des italienischen Rekordmeisters zu erklären. Es war der 23-Jährige selbst, der vor zwei Wochen, nach dem mühsamen 1:0-Sieg gegen das Schlusslicht Cagliari und einer mäßigen persönlichen Leistung, gestand: "Es tut mir leid, ich weiß, dass ich nicht alles gegeben habe, aber ich bin wirklich sehr, sehr müde." Sissoko, malischen Ursprungs und aufgewachsen in Frankreich, ist bekennender Muslim und durfte in den vergangenen Wochen, während des Ramadan, erst nach Sonnenuntergang essen. Der Fastenmonat ist inzwischen zwar vorbei, die gesamte Mannschaft von Juventus Turin spielt aber so, als hätte sie monatelang nichts gegessen.
Von einer Juventus-Krise, die die Fußballweisen nun nach der ersten Saisonniederlage allenthalben herbeischreiben, wollte Palermo-Trainer Davide Ballardini allerdings nichts wissen. Schließlich habe sich seine Mannschaft außerordentlich stark präsentiert, was auch zutraf: Für Palermo, das seit 46 Jahren erstmals wieder gegen Juventus gewann, nutzte erst der ehemalige Juve-Spieler Fabrizio Miccoli seine Chance kühl zur 1:0-Führung (23.), später gelang dem noch unbekannten 18-jährigen Georgier Levan Mchedlidze sein erstes Tor in der Serie A (2:1, 81. Minute). Juventus hatte als Antwort nur den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich, ein Freistoßtor von Alessandro Del Piero (38. Minute).
Die Turiner wirkten hilflos und waren nur bei Standardsituationen gefährlich. Der immer noch müde Sissoko kam in den Zweikämpfen zu spät und wurde bald, nach seinem zweiten harten Foul und der Gelb-Roten-Karte, vom Platz gestellt (41. Minute). Der viel gelobte Jungstar Sebastian Giovinco, wegen seiner geringen Körpergröße und Schnelligkeit "Atom-Ameise" genannt, konnte das Loch, das Sissoko riss, nicht schließen und zeigte nichts von seinem außerordentlichen Können. Der tschechische Abwehrspieler von Turin, Zdenek Grygera, stand nach der Partie mit offenem Mund und ohne zwei in einem Zweikampf verlorene Schneidezähne da. Müde und ohne Biss, das war das Bild, das Juventus an diesem Sonntag bot.
Während sie in Turin nun über den Trainer Claudio Ranieri debattieren und dessen angeblich gespaltenes Verhältnis zu Teilen des Kaders, sonnt sich Palermo nach sechs Spieltagen auf dem vierten Tabellenplatz. Dabei sind die Sizilianer nur eines von vielen Überraschungsteams zu Beginn dieser italienischen Fußballsaison: Lazio Rom führt die Tabelle vor Udinese Calcio an, Inter Mailand, die einzige nominelle Spitzenmannschaft, rangiert auf dem dritten Platz. Von Platz fünf bis auf Platz sieben folgen Atalanta Bergamo, der SSC Neapel und Catania Calcio. Für italienische Fußball-Verhältnisse ein ungewöhnliches Bild.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen