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Jutta Ditfurth über Ulrike MeinhofSuggestive Metaphern

Ulrike Meinhof war eine selbstbewusste, politisch denkende Frau und kein emotional unsicherer Mensch. Ihre Biografie wurde systematisch verfälscht.

Jutta Ditfurth (rechts) über Ulrike Meinhof. Bild: dpa

"Hätte Ulrike Meinhof mehr mit mir getanzt, hätte sie nie zu Bomben gegriffen", sagte Günter Grass kürzlich. Wer sich mit Ulrike Meinhof befasst, stößt auf ein Gestrüpp von Legenden: Sie stamme aus einer antifaschistischen Familie, sei von einer fortschrittlichen Pflegemutter erzogen worden, beruflich erfolgreich gewesen und habe, bloß weil ihr Ehemann sie betrog, zu Sprengstoff gegriffen.

Verwirrt und planlos sei sie bei der Befreiung von Andreas Baader (Mai 1970) aus dem Fenster in den Untergrund gesprungen. Die Metapher ist zu suggestiv, um sie den Fakten zu opfern. Bedrängt und verführt zog sie dann in den bewaffneten Kampf, um am Ende nicht den inhumanen Haftbedingungen (vielleicht), sondern dem Streit mit Gudrun Ensslin zum Opfer zu fallen.

Grundlage des Mythos sind vier vergiftete Quellen. Erstens Meinhofs Pflegemutter Renate Riemeck (1920 bis 2003). Die Historikerin war NSDAP-Mitglied und machte Karriere an der "SS-Universität" Jena. Sie leugnete ihre Nazi-Vergangenheit bis zu ihrem Tod und behauptete, Juden gerettet zu haben. Auch Alice Schwarzer glaubte ihr alles.

Zweitens Klaus Rainer Röhl (geboren 1928), sechs Jahre Meinhofs Ehemann. Röhl war in den 1950ern "nationaler Kommunist", promovierte 1993 beim rechtskonservativen Historiker Ernst Nolte ("Historikerstreit"), schloss sich dann der "Stahlhelm-Fraktion" der FDP an. Als Ulrike Meinhof auf der Flucht war (1970 bis 1972) schlug Röhl dem BKA vor, seiner Exfrau eine Falle zu stellen. Sobald sie in Isolationshaft saß, verkaufte Röhl ihre Texte und schrieb einen obszönen "Enthüllungsroman".

Drittens Stefan Aust, der ehemalige Chefredakteur des Spiegel (geboren 1946). Als 20-jähriger Layouter von konkret bewunderte er die 12 Jahre ältere prominente Kolumnistin Meinhof. Er verließ konkret, als Meinhof mit der Zeitschrift brach. Austs Buch "Der Baader Meinhof Komplex" (1985 ff.) wurde Grundlage des gleichnamigen Films (2008). Ständiger Zeitzeuge Austs ist heute sein alter konkret-Chef Röhl, den Aust, wie er stolz erzählte, seit der Arbeit am Film duzt.

Die vierte giftige Quelle ist das Bundeskriminalamt (BKA). Die interessengeleiteten Legenden von Riemeck und Röhl über Biografie und Persönlichkeit Meinhofs flossen in das Zerrbild, das Staat und Justiz von ihr schufen und die Medien verbreiteten. Aust wiederum bediente sich auch der BKA-Akten. So wird herrschende Meinung konstruiert und verfestigt.

Während meiner sechsjährigen Arbeit an Ulrike Meinhofs Biografie fand ich keine Spuren anderer Autoren in Dutzenden von Archiven. Dennoch glorifizierten sie zum Beispiel die Meinhofsche Großfamilie als einen Hort christlichen Widerstandes. Dabei waren die Meinhofs Antisemiten, Vorkämpfer der NS-Bewegung, Bewunderer Hitlers und verurteilte Kriegsverbrecher. Aber der Weg zum Beispiel ins Berlin Document Center war Alois Prinz und Stefan Aust wohl zu weit.

Ulrike Meinhof wurde am 7. Oktober 1934 in Oldenburg geboren. Ihr Vater, der völkische Kunsthistoriker Dr. Werner Meinhof, NSDAP-Mitglied, beteiligt an der Kampagne "Entartete Kunst", errichtete seine Karriere auf der Vertreibung moderner KünstlerInnen. Seine NS-Akten waren unberührt wie frisch gefallener Schnee. Dass er verfolgten Künstlern geholfen habe, ist frei erfunden.

Ulrike Meinhof, die angeblich bis ins Studium betende brave Christin mit Sophie-Scholl-Frisur und Geige, war tatsächlich eine Art Beatnik, trug Hosen, rauchte auf der Straße, las existentialistische Philosophen und liebte moderne Kunst. Auch von autoritären alten Nazilehrern verlangte sie Respekt und flog beinahe von der Schule. Ulrike las, tanzte, spielte Schlagzeug in einer Jazz-Combo und fühlte sich politisch dem linken Flügel der SPD nahe. Sie liebte den jungen Künstler Thomas Lenk und dann die gleichaltrige Maria. Renate Riemeck untersagte beide Beziehungen und drohte der mittellosen Vollwaise, sie auf die Straße zu werfen (Weilburg 1952 bis 1955).

Mitten im Kalten Krieg wurde die Studentin - inspiriert von Marx, vom Kampf gegen die Wiederbewaffnung und vom KPD-Verbot - im Widerstand gegen Atomwaffen politisch aktiv (Marburg 1955). Sie gründete die erste Anti-Atom-Gruppe und organisierte eine Kundgebung (Münster 1958).

Dabei kam die 24-Jährige der SPD in die Quere. Die Partei war auf dem Weg nach Godesberg, um endlich regierungsfähig zu werden und dafür Kapitalismus und Nato zuzustimmen. Bis in die "Baracke" in Bonn (SPD-Bundesgeschäftsstelle) reichten die Intrigen gegen die junge Frau. Enttäuscht von der SPD und beeindruckt von den Lebensgeschichten deutscher Kommunisten, die KZs überlebt hatten und nun erneut verfolgt wurden, trat Ulrike Meinhof im Herbst 1958 in die illegale KPD ein.

Als Ulrike Meinhof und ihre Freunde den Studentischen Anti-Atom-Kongress in Westberlin aus der Bevormundung der SPD-Führung um Helmut Schmidt befreiten und die Forderung durchsetzten, Gespräche mit der DDR zu führen, ging eine Pressekampagne los, die der Springerhetze gegen die APO von 1967/68 in nichts nachstand (Januar 1959). Die SPD jagte Ulrike Meinhof aus dem SDS (im Mai 1959 noch Studentenverband der SPD).

Die KPD überzeugte sie 1959, Redakteurin von konkret in Hamburg zu werden. 1961 wurde Meinhof Chefredakteurin. Sie schrieb ab 1961 über die Notwendigkeit einer "neuen Linken". 1964 brach sie mit der gegenüber konkret dogmatisch gewordenen KPD.

Als sich Ulrike Meinhof 1967 der APO anschloss, mit Rudi Dutschke anfreundete und nach Westberlin zog, war sie 33 Jahre alt, eine prominente politische Publizistin, Dozentin, alleinerziehende Mutter von sechsjährigen Zwillingen. Sie war seit Anfang der 1960er bekannt für ihre großartigen Reportagen über NS-Prozesse, Heimkinder, Industriearbeiterinnen und "Gastarbeiter". Sie war 1964 "die erste Person in der Bundesrepublik, die aufrichtig und ernsthaft wünschte, über meine Erlebnisse im Warschauer Ghetto informiert zu werden", schreibt Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiografie.

Die Lage in Westberlin war so bedrohlich, dass Ulrike Meinhof die DDR um Bauhelme zum Schutz der Köpfe der Westberliner Linken bat. Eine von Angehörigen früherer SS-Divisionen durchtränkte Westberliner Polizei ging, unter dem Beifall eines Teils der Westberliner Öffentlichkeit und angefeuert von den Springermedien, brutal gegen die neue Linke vor. In Portugal, Spanien und Griechenland herrschten faschistische Diktaturen.

Meinhof verlor durch Röhl ihren Einfluss auf konkret. Ihre Arbeit als Journalistik-Dozentin an der FU wurde von der CDU attackiert. Ihr Fernsehspiel "Bambule" wurde ihr aus der Hand genommen. Ihr Freund Rudi Dutschke wurde Opfer eines Attentats. Die APO zerbrach, beschleunigt durch den Überfall der Warschauer Paktstaaten auf den Prager Frühling, mit dem Ulrike Meinhof sympathisierte. Der Krieg in Vietnam wütete immer noch (1968/69).

Ulrike Meinhof sah sich in einer Sackgasse, sie diskutierte mit Freunden über den bewaffneten Kampf. Die BRD schien ihr in einem vorrevolutionären Zustand, den eine militante "Avantgarde", die RAF, zuzuspitzen hatte. Anfang 1970 beschaffte sie Geld für Waffen. Sie brachte ihre Kinder unter und steckte ihr gesamtes Vermögen, einen Pfandbrief über 40.000 Mark, in ihre Handtasche, als sie sich aufmachte, um Andreas Baader zu befreien. Das Trio Bernd Eichinger (Produzent und Drehbuch), Uli Edel (Regisseur) und Stefan Aust (Storylieferant) schuf den miserablen, antiaufklärerischen Film "Der Baader Meinhof Komplex". Sie prahlen mit historischer Genauigkeit und behaupten, sie könnten jeden Einschusswinkel belegen. Aber alle Szenen über Ulrike Meinhof sind unwahr.

Zeitgenossen erinnern sich an Meinhof, die selbstbewusst, mit Argumenten und Charme, auf Empfängen oder am Strand gegen den Vietnamkrieg und die Nato agitierte. - Im Film sagt Röhl auf einer Party: "Alle mal herhören! Meine Starkolumnistin und kluges Eheweib, hat einen offenen Brief …" - Martina Gedeck alias Ulrike Meinhof, seltsam verkrümmt, streicht sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht - "… an ihre kaiserliche Hoheit Farah Diba geschrieben …". Ulrike/Martina, verdruckst und zugleich geschmeichelt, flüstert: "Mach doch nicht wieder so ne Show draus." Röhl lockt: "Komm schon, pretty Baby!" Zu den Gästen lauter: "Das wird in der nächsten Ausgabe der konkret erscheinen." Dann beginnt Ulrike/Martina allen Ernstes, ihren eigenen, in Wirklichkeit längst veröffentlichten Artikel vorzulesen, pathetisch und unsicher.

Die hochpolitische, selbstbewusste und intelligente Frau mutiert im Film zur emotional instabilen bürgerlichen Ehefrau mit ewig zitternder Unterlippe. In demütiger Körperhaltung lässt sie sich vom Gatten auf Partys vorführen wie ein Tanzbär. Ulrike Meinhof soll Baader und Ensslin vom ersten Moment an emotional unterlegen sein, damit Eichinger-Edel-Aust-Röhl sie zum Opfer der RAF machen können.

Am 7. Oktober 2009 wäre Ulrike Meinhof 75 Jahre alt geworden. Wäre es nicht an der Zeit, sich mit dem Menschen politisch auseinanderzusetzen, der sie wirklich war?

Jutta Ditfurth: Ulrike Meinhof. Die Biografie (Ullstein, Taschenbuch 9,95 Euro)

Am 6. 10. (Berlin, Berliner Ensemble) und am 7. 10. (Stuttgart, Theaterhaus) findet zum 75. Geburtstag eine "Szenische Lesung - Ermittlungen über Ulrike Meinhof (mit Bildern und Fundsachen)" mit der Autorin Jutta Ditfurth statt.

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36 Kommentare

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  • B
    BLA

    Leider lese ich erst jetzt den Artikel und die Kommentare dazu. Die meißten hier scheinen Spätgeborene zu sein. Zumindest muß man das bei den haßerfüllten und leider auch geschichtlich völlig daneben liegenden Getöse annehmen. Wer wie "Von grafinger" die Frau zitiert sollte schon den Rest dazu mitliefern! Wie wäre es, wenn Sie die Originalquelle auch mal lesen würden, damit das Zitat auch den richtigen Sinn ergibt? Sollte irgendwer mal über meinen Kommentar stolpern kann er unter labourhistory.net recherchieren und den entsprechenden Satz hier nachlesen:

    http://labourhistory.net/raf/search.php?search=Mich%E8le+Ray&field=0&word=0&btn=Search

  • R
    romski

    joi olle jutta, da bekommst du endlich wieder die aufmerksamkeit die dir zusteht... für mich ist die radikale linke, obwohl ich bornierterweise sogar mal dachte es dient der verbesserung der gesellschaft,ähnlich zynisch + menschenverachtend wie der damalige 3.reichnachfolgestaat . dass ulrike meinhof zwischen solch egoman fixierten typen wie röhl + baader samt bewunderern aufgerieben+ zermürbt wurde ist naheliegend. ich habe kein problem damit meinhof als in ihren umfeld noch sensibelste +auch verletzliche person wahrzunehmen.ich glaube ihr dass sie beste absichten verfolgte +ihr nicht unbedingt daran lag einer avantgarde anzugehören. dass sie dabei auch über leichen ging+ den zynismus ihres umfeldes mitgetragen und auch mitgestaltet hat muss sie posthum ertragen.aber ich brauch jetzt nicht eine von unsjutta gezeichnete dochkampfsau ulrike meinhof,frei von selbstzweifeln wie die autorin.ulrike meinhof ist gescheitert, am staat wie an ihrem umfeld wie an ihrem leben.das ist wie es ist aber sie ist von all den dogmatischen linken "held(in)en" diejenige wo ich manchmal denke: schade...

  • V
    vic

    Ich hab >Zeit Des Zorns< gelesen.

    Jutta Ditfurth schreibt fantastisch und bringt die Sache auf den Punkt.

    Vielleicht sollten jene, die ohne zu lesen urteilen das nachholen.

  • O
    Otto

    DANKE Jutta Ditfurth.

     

    Wie hälst Du nur diese Jauche aus, die hier zum Teil abgesondert wird?

  • R
    Rainer

    Ach ja, Juttas Welt:

     

    Franz Alt und der Dalai Lama sind Faschisten,

    Ulrike Meinhof Freiheitskämpferin

    und Jutta Ditfurth eine Intellektuelle.

     

    So kann man sich täuschen.

  • UM
    Ulrike M.

    Danke, Jutta, ehrlich,

    es war nötig, die Wahrheit zu sagen, auch , wenn,

    die Mehrheit ( Wahlausgang: schwaRz/gelb) es nicht hören will.

    Ja, die BRD ist eine Gesellschaft der "Überlebenden"( nicht zur rechenschafft gezogenen

    Nazis/Mitläufer). Sie demütigt, entwürdigt,

    provoziert und vermarktet mediengerecht die Opfer

    ( alle, die ANDERS sind als die Leser der Boulevardpresse, Privatfernsehen, profitgieriger

    Asozialer (nicht an die Gesellschaft als verantwortliche Mitglieder gekoppelte Alleinabsahner)).

    Ich beschönige nicht die Gewalttaten einer Ulrike M. Ich klage die unbeeinflußte Darstellung

    der Fakten an.

  • DH
    Daniela Hertz

    glückwunsch zu diesem fundierten artikel. bin positiv überrascht, wie gut jutta ditfurth ihn geschrieben hat. bin nicht überrascht, wie konformistisch hier in kommentaren die übliche platte raf-phobie von braven staatsbürgerInnen durchexerziert wird. bin noch weniger überrascht, dass die empörten kommentiererInnen die von jutta ditfurth genannten, erschreckenden fakten zur aktiven teilnahme am größten verbrechen der menschheit, dem deutschen nationalsozialismus seitens der lieben erziehungsberechtigten von ulrike mneinhof ignorieren. danke, jutta ditfurth für diese fakten.

  • S
    Sonja

    >>>>>>>"Das darf doch nicht wahr sein! In der taz wird im Jahr 2009 eine kaltblütige Mörderin und Terrroristin von Jutta von Ditfurth als "selbstbewusste, politisch denkende Frau" definiert. Was bitte soll dieser unsäglich triviale Revolutionsdünnsinn? Es ist völlig unerheblich, ob Meinhif aus sexueller frustration gemordet hat oder aus moralischer Selbstgerechtugkeizt. Hagiographien von veritablen Mördern sind ein echter Grund eine anderes Blatt zu kaufen!"

  • H
    hto

    Lenin, Marx, Engels, Rosa Luxemburg, usw. sind auch schon lange tot und alle glauben wir hätten uns genügend und endgültig mit ihnen und was daraus entstanden ist auseinander gesetzt - die Dogmen von links nach rechts sind funktionaler Teil der gewohnt-leichtfertigen Überproduktion von Kommunikationsmüll.

     

    Die Systematik, die gesellschaftlich mit Bildung zu systemrationaler Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche schon im Kindergarten beginnt und im konfusionierten Konsumautismus für die "Demokratie" durch Kreuzchen auf dem Blankoscheck mündet, ist wirklich nicht einfach für eine eindeutig-zweifelsfreie Wahrheit zu knacken.

     

    Eine Welt- und Werteordnung, auf der Basis eines bedingungslosen MENSCHENRECHTS auf Nahrung, Wohnen und Gesundheit, mit allen daraus menschenwürdig resultierenden Konsequenzen / Möglichkeiten, ist absolut machbar - wenn GRUNDSÄTZLICH alles allen Menschen gehört, kann PRINZIPIELL alles ..., und wettbewerbsorientierte Dummheit von / in "Wer soll das bezahlen?" hat keine Macht mehr!?

  • S
    Stefan

    Wie entstanden die menschenverachtenden Allmachtsfantasien der RAF? Wie wird man dem was man bekämpft ähnlicher als einem lieb ist? Evtl durch eigene Ohnmachtserlebnisse in einer verlogenen, verdeckt faschistischen Familie? Wie landet man in sektenähnlichen Gruppen wie der RAF?

    Lieber wütend als traurig. Vielleicht aus Unkenntnis wieviel tiefe Trauer hinter jeder Wut steht? Vielleicht sagt die Lippe von Gedeck viel mehr als Ditfurths Buch? Das mag jeder selber entscheiden.

    Die oberflächlich, politischen Erklärungen aus der radikalen Linken reichen mir bei weitem nicht.

    Bei weitem nicht.

    Sie dienen höchstens der Selbstbeschönigung und machen aus Morden "politische Freiheitskämpferaktionen"

  • KL
    K. Langelotz

    Alle anderen sind blind oder wollen die Wahrheit nicht sehen / finden bis Frau von Ditfurth kommt und uns alle erhellt. Klingt mir immer etwas einfach, aber mit diesem gut / böse Schema lässt sich ja bekanntlich gut leben und Kritiker muss Mann / Frau dann auch nicht ernst nehmen - schön die Wahrheit gepachtet zu haben. Hätte es nicht gereicht Frau von Ditfurth eine Viertelseite einzuräumen, das hätte bestimmt gereicht dem interessierten Leser einen Eindruck von ihrer momentanen Weltsicht zu vermitteln.

  • S
    Schmidt

    Ulrike Meinhof war eine brillante Journalistin und hätte es bleiben sollen. Ich will mir lieber nicht vorstellen, was in unserem Land passiert wäre, wenn die RAF ihren schwachsinnigen Krieg gewonnen hätte:

    Gulags, Massenmorde, Hungersnöte wären die Konsequenz gewesen, Faschismus pur.

    Ich habe den Einruck, Jutta (von) Ditfurth überträgt ihre eigenen Frustrationen auf die tragische Figur Meinhof.

  • S
    siralfredt

    mörder bleibt mörder

  • T
    tomasz

    da wollen wir doch mal klar im kopf bleiben: ulrike m. war und ist und bleibt eine gemeine mörderin. ein mensch, welcher keine andere antwort wusste, als das töten. die taten der der frau m. sind und bleiben ekelerregend und böse.

  • P
    Pesavento

    Sie schreiben "Wäre es nicht an der Zeit, sich mit dem Menschen politisch auseinanderzusetzen, der sie wirklich war?".

     

    Ja, das wäre interessant, und Ihre Argumente finde ich auch sehr interessant. Aber diese historische Ausseinandersetzung interessiert mich um beantworten zu können, wie eine Bewegung, die sich auch als Reaktion auf eine nicht entnazifizierte Gesellschaft gebildet hat, sich so entwickeln konnte: mörderisch, selbstgerecht, autoritär, menschenverachtent und sogar antisemitisch (siehe taz 5.10.7 "Radikal antijüdisch": http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/radikal-antijuedisch/)

     

    Ich weiss es nicht, aber vom Gefühl her geht es Ihnen aber nicht darum, aber da lasse mich mich gern eines besseren überzeugen.

     

    Und Sie meinen vielleicht wirklich eine politische Auseinandersetzung und keine historische. Darin sehe ich allerdings nicht viel Sinn.

  • I
    Inge

    Frau Meinhof würde sich freuen, dass jetzt jemand anständig und wahrhaftig über sie berichtet.

  • R
    reblek

    Ich bin nicht so gut über das Leben von Ulrike Meinhof informiert und zum Glück auch nicht über das Wirken ihrer ebenso wirren wie unsäglichen Tochter Bettina, aber diese ist doch eigentlich so etwas wie eine "fünfte Quelle" für das, was über Ulrike Meinhof durch die Gegend geistert, oder?

     

    "In Portugal, Spanien und Griechenland herrschten faschistische Diktaturen." So war es nicht, es war jeweils "nur" eine Diktatur, weshalb der Singular richtig ist, aber der Plural beeindruckt offensichtlich auch Menschen stark, die eigentlich mit der deutschen Sprache gut umgehen können.

  • K
    Kurt

    Zu erwarten das sich die Gesellschaft mit ihrer Geschichte beschäfftigt, ist nicht erst seit heute Thema.

    Ist denn etwas anderes vom Deutschen zu erwarten.

    Bis heute ist die auseinadersetzung mit dem ns nicht ausreichend.

    Darum ging es schon früher.

    Und jetzt erwarten das die gesellschaft sich mit juengeren ereignissen in der BRD beschäftigt.

  • TL
    TOM Linus

    Dieses Buch sollte Schullektüre werden, es klärt auf, wie unsere "Demokratie" in Wahrheit funktioniert .

    Diese Geschichtsverklitterung von Aust und seinen Kumpanen ist einfach nur widerlich, genauso wie die Schranze Grass und Schwarzer !

  • P
    Profi-Schnacksler

    @Heimzögling

     

    Von "umgebrachten" Heimkindern habe ich anhin noch nicht gehört?

  • P
    Profi-Schnacksler

    War Frau M. als 24jährige Studentin nicht viel zu unbedeutend, um "der SPD in die Quere" zu kommen? Und daraus, dass Frau M. "die DDR um Bauhelme zum Schutz der Köpfe der Westberliner Linken bat" muss doch jeder denkfähige Mensch mit ideologisch unverbauter Weltsicht schließen, dass sie total paranoid/durchgeknallt war (ein bei den seinerzeitigen K-Gruppen wohl durchaus nicht seltener Zustand)?

  • S
    symphatisant

    Dank an JUTTA DITFURTH, daß sie sich die Arbeit gemacht hat!

     

    Ulrike Meinhof hatte die Wahl und sie hatte sich entschieden. Sie bezahlte ihren persönlichen Versuch der Weltverbesserung mit ihrem Leben. Diese Biografie mag man so würdigen oder so, aber man muß sie hinsichtlich ihres Gehalts an Menschenwürde respektieren, alles andere ist unehrenhaft.

     

    Von dem v. Stauffenberg oder von den Geschwister Scholl würde kein Mensch im nachhinein eine allgültige Rechtfertigung dafür verlangen, daß auch Unschuldige durch ihr Tun ums Leben kamen oder hätten kommen können. Die Umstände des Weltverbesserns führen den einen zum Schafott und den anderen zum Verdienstkreuz. Aus dem einen wird ein Diktator, aus dem nächsten ein Verräter, aus dem dritten ein Philosoph und aus dem letzten ein Irrer. Es wäre zu schön, könnte man das vorher schon wissen.

     

    @carl: Vor einem "linksprogressiven Medienimperium" mögen uns alle Götter dieser Erde bewahren!

  • H
    Heimzögling

    Wo ist der Unterschied ob ich jemanden aus der Oberschicht direkt erschieße oder wie die Behörden 300.000 Heimkinder umgebracht haben. Da wird nicht nachgegangen weil die Unterschicht systematisch ausgerottet werden sollte. Nun habt ihr das Problem mit den Immigranten als Hals. Wer will das Problem lösen? Die FDP? Nee, denn das sind die heutigen Heimbetreiber!

  • S
    Spin

    @Thomas - 05.10.2009 17:34 Uhr:

    Sie werfen Ditfurth vor, Sie käme trotz ihrer Vorwürfe auch nicht weiter als die andern Biografen, weil das Werk halt immer nur Projektion von Produzent wie Rezipient sei. Das kommt mir angesichts der handfesten und plausibel dargestellten Vorwürfe mindestens zum Thema NS arg relativistisch vor. Entweder die Familie war, wie noch von Aust dargestellt, Antifa, oder sie war, wie bei Ditfurth, (ganz oder mehrheitlich) Nazi. Beides bedeutet eine Menge für die politsche Identität der heranwachsenden Ulrike M., und da gibt es schlicht beweisbare Wahrheiten und Fehlurteile.

  • T
    Thomas

    1) Die historische Betrachtung von Personen kann immer nur zu einem kleinen Teil deren Persönlichkeit abbilden, der große Rest entsteht im Kopf der Betrachters. Darum ist jede historische Betrachtung viel mehr Zeugnis über das "Jetzt" als über das "Damals". Insofern hat Frau Ditfurth sicherlich zumindest teilweise Recht, dass nämlich keine Biographie der wahren Ulrike Meinhof (oder einer beliebigen anderen Person) gerecht werden kann.

    Eine Biographie ist immer gleichzeitig auch Projektionsfläche für den Autoren wie auch den Leser.

     

    Und da wir nicht in den Kopf anderer Personen schauen können müssen wir zwangsläufig auf Mythen und Metaphern ausweichen um zumindest den Versuch zu unternehmen eine Persönlichkeit für den Einzelnen erfahrbar zu machen.

     

    Hier hat Frau Ditfurth keine andere Wahl als zu den selben, unvollkommenen Methoden zu greifen wie alle Biographen vor ihr. Dennoch wirft Sie den Standardquellen vor vergiftet zu sein, ohne dies überzeugend darlegen zu können. Aus einer persönlichen Antipathie gegenüber den betreffenden Personen kann man noch lange nicht Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der von ihnen gemachten Aussagen schließen. Gleichzeitig aber erscheint ihr Meinhof-Bild genauso durch ihre Weltanschauung getrübt zu sein wie sie dies Riemeck und Röhl vorwirft. Frau Ditfurths Bild ist nicht weniger suggestiv.

     

    Dabei ist eines klar: Die Wahrheit über Ulrike Meinhof ist mit ihrem Tod für immer verschollen.

     

    Für die Nachwelt bleiben nur Fakten (was hat sie gesagt/getan) und deren Interpretation (warum hat sie es gesagt/getan). Frau Ditfurth behauptet, dass ihre Interpretation die einzig wahre sei. Dies jedoch wage ich anzuzweifeln, es ist lediglich eine alternative Interpretation, die mindestens zum gleichen Teil von Frau Ditfurths Überzeugungen und dem aktuellen Zeitgeist herrühren wie dies auch bei früheren Interpretationen der Fall war. Es sind schlicht verschiedene Versuche die selben Handlungen einer Terroristin durch unterschiedliche Mythen und Metaphern für die Nachwelt begreifbar zu machen. Eine absolute Wahrheit hat dabei sicherlich keiner gepachtet.

     

    2) Zwar stimme ich Frau Ditfurth nicht zu, dass Stefan Aust aus Ulrike Meinhof nur ein Opfer der RAF zu machen versucht, gleichzeitig wirft diese Formulierung auch eine Frage auf. Denn wenn sie nur von vorangegangenen Biographen zum Opfer gemacht wurde, in Wahrheit aber keines war, dann kann sie nur verklärte Täterin gewesen sein, die für den Tod von vielen Menschen voll verantwortlich war.

    Warum also sollte sich irgend jemand mit solch einem Menschen politisch auseinander setzen? Solch eine politische Einstellung sollte sich doch wohl von alleine disqualifizieren.

  • CD
    Carl der alte Brigadier

    Um die offene, objektive und faire Auseinandersetzung um Ulrike Meinhof, die sie vorschlagen, in der BRD zu erreichen, liebe Frau Ditfurth, müßte sich nach meiner Auffassung eine Art Medienrevolution ereignen, müßte ein linksprogressives Medienimperium auf die Beine gestellt werden, größer und mächtiger als Springer, Bertelsmann, Spiegel, ARD, ZDF & RTL zusammen! Die rechtslastigen Manipulateure und Demagogen sind in deutschen Landen auf allen Feldern schlicht und ergreifend zu mächtig und einflußreich.

  • G
    gerthans

    Ulrike Meinhof wird verkleinert oder dämonisiert, weil sie für ihre Überzeugungen alles riskiert hat und deshalb vielen (Ex)Linken noch heute ein schlechtes Gewissen macht. Das gilt auch für die Hofschranze Grass.

  • L
    Loyola

    Es wurde Zeit für einen Artikel, der die Person Ulrike Meinhof jenseits ihrer menschlichen Abscheulichkeit beleuchtet.Vielen Dank Frau Dittfurth

  • B
    Brandstein

    Das darf doch nicht wahr sein! In der taz wird im Jahr 2009 eine kaltblütige Mörderin und Terrroristin von Jutta von Ditfurth als "selbstbewusste, politisch denkende Frau" definiert. Was bitte soll dieser unsäglich triviale Revolutionsdünnsinn? Es ist völlig unerheblich, ob Meinhif aus sexueller frustration gemordet hat oder aus moralischer Selbstgerechtugkeizt. Hagiographien von veritablen Mördern sind ein echter Grund eine anderes Blatt zu kaufen!

  • S
    Spin

    Gut so, frau Ditfurth, den medial verdrehten Unsinn über alles radikal Linke, über '68, RAF usw. und die damit verbundene Heiligsprechung der bürgerlichen Gesellschaft verdient Widerspruch und Richtigstellung.

     

    Allerdings müssen auch die alten Fehleinschätzungen der Bewegung(en) schonungslos kritisiert werden, wie sie, noch unbewertet, in diesem Text aufscheinen, wenn es etwa - nach einer Aufzählung von persönlicen und politischen Niederlagen und Rückschlägen - heißt:

     

    "Ulrike Meinhof sah sich in einer Sackgasse, sie diskutierte mit Freunden über den bewaffneten Kampf. Die BRD schien ihr in einem vorrevolutionären Zustand, den eine militante "Avantgarde", die RAF, zuzuspitzen hatte."

     

    Die Rückschläge wurden demnach nicht als vorläufige Unmöglichkeit radikalen Wandels gedeutet, sondern als Aufforderung, Revolution notfals auch ohne oder gegen das Volk zu machen. Das ging an der sozialen Realität genauso vorbei wie die Strategien leninistischer Sektierer und später der Autonomen. Schade, Strategie war nie Stärke der radikalen Linken.

  • M
    Marius

    Toller Artikel, der endlich aufräumt mit den vielen Verleumdungen und Vorurteilen und der die Person Meinhofs objektiv und unabhängig betracht. Taz, bitte mehr davon!

  • G
    Gockeline

    Selber habe ich mit Jutta Ditfurth meine Probleme.

    Sie hat wie viele dieser Frauen etwas fanatisches an sich.Der Artikel ist jedoch sehr gut und überzeugend.Es zeigt auch wie Männer ticken in ihrem Denken,dabei ein anderes Bild zeichnen von der Realität.Egal wie Ulrike Meinhof dachte oder sah,es hatte immer etwas fanatisches einseitiges Denken das zerstörerisch wirkte.Man ändert nicht die Gesellschaft durch solchen Druck bis hin zum Mord und Selbstmord.Wenn ich mir die Bilder und Filme aus der Zeit anschaue,friert es mich.

  • G
    grafinger

    "Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden." (U. Meinhof in einem Interview mit Michèle Ray)

    Das, liebe Jutta ist der Mensch der sie war. Menschenverachtend. Da kannst Du schreiben was Du willst.

  • D
    denninger

    Oh, klar, Jutta, alle anderen Autoren welche über Ulrike Meinhof schrieben waren natürlich "vergiftet", sogar die eigene Tochter.

    Und pünktlich zum "Jubiläum" der Ulrike Meinhof kramst Du Dein Buch von 2007 wieder heraus und tourst damit durch die Republik.

    Das ist schon irgendwie Leichenfledderei, findest Du nicht?

  • M
    mittiger

    hey schöner artikel, auch wenn ich in der thematik nicht so bewandert bin und auch den film nicht gesehen habe, es ist immer gut dinge in der vergangenheit ganzheitlich aufzuarbeiten, es fehlt an artikeln, die sich mit den APO-nahen strukturen und den psychopathologisch-soziologischen folgen der neuen generation in der nachkriegsära befassen, mehr davon...aber für das buch reicht meine zeit nicht ;) lg a.

  • MS
    Michael Schütte

    Nee Frau Ditfurth, lassen Sie die modrige Leiche Meinhof mal lieber da wo sie ist und heben Sie die verblendete Meinhof mal nicht auf einen Sockel, der ihr nicht gerecht wird.