Justizpolitik: Strafrabatt für Kronzeugen
Die Regierung will diese Woche zwei umstrittene Gesetze beschließen: mildere Strafen für Kronzeugen und Geständige, die so den Prozess verkürzen.
Der Bundestag will in dieser Woche eine weitreichende Kronzeugenregelung beschließen. Sie soll grundsätzlich für alle Delikte der schweren und mittleren Kriminalität gelten. Außerdem will der Bundestag am Donnerstag sogenannte Deals im Strafverfahren legalisieren. Anwälte und Richter lehnen vor allem die Kronzeugenregelung ab.
Bis 1999 galt in Deutschland eine spezielle Kronzeugenregelung für Terroristen und Mafiosi. Unter Rot-Grün wurde sie nicht verlängert. Seither diskutieren Rechtspolitiker über einen Ersatz, der nicht auf spezielle Delikte beschränkt ist. Der Bundestag will jetzt einen Gesetzentwurf von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) aus dem Jahr 2007 beschließen. Er erlaubt, dass Straftäter, die andere Kriminelle verpfeifen, milder bestraft werden können, als es der gesetzliche Strafrahmen vorsieht. Bei einem Mörder kann sich die lebenslange Freiheitsstrafe so auf nur noch zehn Jahre Haft reduzieren.
"Im Ergebnis könnte ein Vergewaltiger straflos davon kommen, weil er den Aufenthaltsort von Terroristen kennt", kritisierte Jasper van Schlieffen vom Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen. Vor allem Täter, die tief ins kriminelle Milieu verstrickt sind, können von dem Gesetz profitieren, moniert der Deutsche Anwaltverein, während Ersttäter selten Hinweise auf andere Kriminelle geben können. Der Deutsche Richterbund warnt vor falschen Anschuldigungen durch Kronzeugen, die sich einen Strafrabatt ertricksen wollen. Auch SPD-Rechtspolitiker waren skeptisch, lenkten letztlich aber ein, um den Koalitionsfrieden zu sichern und um Justizministerin Zypries nicht zu beschädigen.
Aus deren Ministerium stammt auch ein zweites Projekt, bei dem es ebenfalls um den Handel mit Gerechtigkeit geht. So sollen erstmals Absprachen im Strafprozess gesetzlich geregelt werden. Bei solchen "Deals" bekommt der Angeklagte eine milde Strafe als Gegenleistung für ein Geständnis und die damit verbundene Abkürzung des Prozesses. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dies bisher akzeptiert, wenn die Absprache transparent war und die Strafe schuldangemessen blieb. Allerdings hat er vom Bundestag eine gesetzliche Regelung gefordert.
Der Deutsche Richterbund und die Bundesrechtsanwaltskammer begrüßen den Regierungsentwurf, der im Wesentlichen die bisherige Rechtslage zusammenfasst. Dagegen fordern wichtige Richter wie BGH-Präsident Klaus Tolksdorf den völligen Verzicht auf solche Deals, weil sie dem Ansehen der Justiz schaden könnten.
Ministerin Zypries Gesetzentwurf vom Januar wurde von den Koalitionsfraktionen zuletzt noch nachgebessert: Im Rahmen eines Deals soll niemand auf Rechtsmittel verzichten dürfen. Dies soll Angeklagte schützen, die von Staatsanwaltschaft und Gericht zu einem falschen Geständnis gedrängt wurden. Für das zweite, wohl größere Problem bei solchen Deals - übertrieben milde Urteile - fand die Koalition keine Lösung.
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