Justiz: Dämpfer für falsche Freunde
Verdeckte Ermittler dürfen Verdächtige nicht zu einem Geständnis drängen. Das besagt ein Urteil des Bundesgerichtshofs.
KARLSRUHE taz Der Bundesgerichtshof hat den Einsatz verdeckter Ermittler eingeschränkt. Sie dürfen Verdächtige, die gegenüber der Polizei keine Aussagen machen wollen, nicht zu Aussagen drängen. Ein verdeckter Ermittler ist ein Polizeibeamter, der mit einer falschen Identität getarnt auftritt.
Im konkreten Fall war ein 15-jähriges Mädchen aus dem Sauerland 2002 auf Mallorca verschwunden. Als Wochen später seine halb nackte Leiche gefunden wurde, fiel der Verdacht auf einen 41-jährigen Gelegenheitsarbeiter aus Wuppertal. Doch die Ermittlungen stockten, weshalb die Polizei einen verdeckten Ermittler auf den Verdächtigen ansetzte. Der Kontakt wurde bei einem Gefangenentransport hergestellt, weil der Verdächtige wegen einer anderne Sache in Haft saß. Die beiden "freundeten sich an" und fortan besuchte der Ermittler den Verdächtigen immer wieder im Gefängnis, über ein Jahr lang. Der Ermittler erschlich sich mehr und mehr das Vertrauen des Wuppertalers und war bald dessen einzige Bezugsperson außerhalb des Knasts. Bei einem Hafturlaub in der Wohnung des Ermittlers wurde dieser massiv und fragte seinen "Freund" aus wie im Verhör - bis dieser gestand, das Mädchen getötet zu haben. Das auf Band aufgezeichnete Geständnis wurde dem Mann vorgespielt, der bei der Polizei erneut gestand. Er habe das Mädchen mit Chloroform betäubt, dabei sei es gestorben, was er aber nicht beabsichtigt habe. Anschließend verurteilte ihn das Landgericht Wuppertal zu einer Freiheitstrafe von neuneinhalb Jahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Der 3. Strafsenat des BGH hob das Urteil nun auf und erklärte die Geständnisse für unverwertbar. Der Einsatz des Verdeckten Ermittler sei zwar prinzipiell zulässig gewesen, der getarnte Polizist hätte den Verdächtigen aber nicht zu einer Aussage drängen dürfen. Schließlich habe der Verdächtige zuvor bei der Polizei erklärt, dass er von seinem Recht zu schweigen Gebrauch mache. Dies habe die Polizei durch die vernehmungsartigen Fragen des Ermittlers nicht unterlaufen dürfen. Das Geständnis gegenüber dem Ermittler wäre nur verwertbar gewesen, wenn der Verdächtige von sich aus sein Herz ausgeschüttet hätte.
Auch das zweite Geständnis bei der Polizei erklärte der BGH für unverwertbar: Auch hier hatte der Verdächtige nicht aus freiem Willen ausgesagt. Schließlich hätten ihm die Polizisten erklärt, dass schon das erste mitgeschnittene Geständnis ausreiche, um ihn zu überführen.
Das Gericht berief sich auf den rechtstaatlichen Grundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten. "Dieser Grundsatz geht auch den Erfordernissen einer effizienten Strafrechtspflege vor." Der Fall wird nun erneut verhandelt. Da die Beweislage sonst dünn war, kann der Mann sogar mit Freispruch rechnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!