: Juristisch ist die Flick–Affäre beerdigt
■ Die Versuche der Amnestie, die Absetzbarkeit der Spenden als Betriebsausgaben, die rückwirkende Anwendung des neuen Parteienfinanzierungsgesetzes waren die Stationen auf dem Weg, um die gängige Spendenpraxis nachträglich zu legalisieren
Von Heiko Melcher
Mit Geldstrafen für die Ex–Wirtschaftsminister Lambsdorff und Friderichs, mit zwei Jahren Haft auf Bewährung für den früheren Flick–Manager von Brauchitsch endete der Prozeß der Parteispendenaffäre, der Flick–Prozeß, vor dem Bonner Landgericht. Die drei Angeklagten wurden vom Gericht der Steuerhinterziehung bzw. der Beihilfe zur Steuerhinterziehung für schuldig befunden. Richter Buchholz meinte, „der Wahrheit nahegekommen zu sein“. Die Praktiken der illegalen Parteienfinanzierung politisch zu bewerten, stehe Juristen nicht zu. Juristisch ist die Parteispendenaffäre mit dem Bonner Urteil und der Grundsatz–Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Reemtsma–Verfahren bewältigt. Mit dem Urteil vom 28. Januar hat der BGH definitiv entschieden, daß Parteispenden keine Betriebsausgaben sind, daß keine Strafmilderung eintritt und daß jenes Recht maßgeblich ist, das zum Zeitpunkt der Tat gegolten hat. Nachdem in den Jahren 1981 und 1984 vergeblich versucht wurde, ein offenes „Amnestie– Gesetz“ zu beschließen, gab es etliche andere Ansätze, doch noch eine Straffreiheit für die betroffenen Unternehmer und Politiker durchzusetzen. Hauptsächlich in den juristischen Fachzeitschriften entsponn sich eine lancierte Diskussion. Zunächst wollte man Parteispenden als Betriebsausgaben definieren. Dahinter stand der Gedanke, daß Unternehmer geradezu ein „vitales Interesse“ (so der Parteispenden–Verteidiger Günther Felix, der selbst als Rechtsanwalt der „Staatsbürgerlichen Vereinigung“ und Steuerberater der CDU tief in die ganze Affäre verwickelt ist) hätten, ein positives Klima zwischen ihnen und den politischen Entscheidungsträgern zu schaffen. Diese ernsthaft von Juristen vertretene Argumentation, die darauf hinausgelaufen wäre, politische Einflußnahme zu einem „Betriebszweck“ zu erheben, wurde aber schon vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 4.3.86 - und nunmehr auch vom BGH - verworfen. Nachdem die etablierten Parteien - also auch die SPD - dann aber im Jahr 1983 ein neues „Parteienfinanzierungsgesetz“ beschlossen hatten, liefen die Versuche, Straffreiheit zu erreichen, in anderen Gleisen. Dieses Gesetz sah vor, daß die Grenze für die steuerliche Absetzbarkeit von Parteispenden deutlich heraufgesetzt wird. Waren es bis Ende 1983 nur 1.800 DM (bei Ehepaaren 3.600 DM), so sahen die am 1.1.84 in Kraft getretenen Neuregelungen prozentuale Anteile der Einkommensteuer bzw. bei Unternehmen des Umsatzes vor, die maximal als Parteispende steuerlich geltend gemacht werden konnten. Summen bis zu einigen Hunderttausend DM waren so leicht denkbar. Diese Neuregelung erlaubte also eine weitaus höhere steuerlich abzugsfähige Finanzzuweisung an die Parteien. Das Bundesverfassungsgericht hat widersprochen, den Spendenrahmen mit maximal 100.000 DM jährlich jedoch sehr hoch angesetzt. Dieses Urteil beendet die alte Rechtsprechung dieses Gerichts, die von der „Gleichheit der Spender und der Parteien“ ausging. Wären die gesamten Parteispenden, die vor Erlaß dieses neuen Gesetzes getätigt worden sind, hiernach zu beurteilen, so würde kaum noch ein illegaler Spender bestraft. Darauf kamen findige Juristen, die das Argument der Strafmilderung (nach § 2 Abs. 3 StGB) ins Spiel brachten. Danach können nachträgliche Gesetzesänderungen den Tätern zugute kommen, weil das mildere Recht anzuwenden wäre. Ein Beispiel: Parteispenden, die jemand 1982 illegal (also mehr als 1.200 DM) getätigt hat, die aber innerhalb der neuen Prozentgrenzen oder nach dem BVerfG–Urteil unter 100.000 DM liegen, wären nicht mehr strafbar. Dies wäre, wie es Otto Schily im Bundestag ausgedrückt hat, in der Tat eine „heimliche Amnestie“. Diese juristische Position wurde gerade im Jahr 1986 zunehmend vertreten und damit „salonfähig“. Daran hatte auch die CDU ihren Anteil, denn sie vergab zu dieser Frage ein Gutachten. Dies hatte herauszufinden, daß genau diese Anwendung des § 2 Abs. 3 StGB die einzig richtige Lösung ist und damit Straffreiheit eintrete. Als Gutachter hat sie den renom miertesten deutschen Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Dr. Tiedemann und seine Mitarbeiter von der Uni Freiburg engagiert. Nachdem sein Gutachten als juristisches Werk auf dem Markt war, wurde es allerorten besprochen und seine Ergebnisse „gewürdigt“. Von der FAZ bis in fast alle juristischen Fachzeitschriften wurde es als die „Lösung der Par teispendenaffäre“ angesehen. Das Ziel dieser von der CDU eingeleiteten Aktion schien erreicht: Die „herrschende Meinung“ unter den Juristen (ein ganz wichtiges Faktum für die juristische Meinungsbildung) sollte darauf festgelegt werden, daß es mit der Anwendung des genannten Strafgesetzbuch–Paragraphen zu einer Straffreiheit für (fast) alle Beteiligten kommen kann. Davon sollte sich dann auch der Bundesgerichtshof beeindruckt zeigen. Hat er aber nicht - dankenswerterweise müßte man fast sagen, denn sonst wäre alles, was wir durch die „Parteispendenaffäre“ an Korruption und Bestechlichkeit in diesem Staate erfahren haben, ohne Konsequenzen geblieben.
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