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AnalyseJuristen zum Verhör

■ In Sachen Korruption beantragt Berlusconi einen Parlamentsausschuß

Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gehört zu den nobelsten Privilegien demokratischer Parlamente. Das gilt auch für Italien, wo Artikel 82 der Verfassung dieses Recht festlegt, sofern das Thema „im öffentlichen Interesse liegt“. Doch Italien wäre nicht Italien, fände sich nicht doch irgendwann jemand, der auch das einsichtigste Gesetz ins Gegenteil verkehrt. Und Berlusconi, Medientycoon, Ex-Ministerpräsident, derzeit Oppositionsführer und reichster Mann des Landes, wäre nicht Berlusconi, wenn nicht gerade ihm diese Perversion eingefallen wäre.

Geschehen ist dies: Berlusconi wurde innerhalb eines halben Jahres von drei Gerichten wegen unterschiedlicher Vergehen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Dies war der Höhepunkt jener gigantischen Schmiergeld-Aufhellung, die die Staatsanwaltschaft Mailand seit Februar 1992 durchführte.

Doch Berlusconis Lamento unter dem Titel „politische Verfolgung des Oppositionsführers“ zündete weder bei den anderen Politikern (einschließlich Berlusconis Verbündeter im rechten Spektrum) noch in Meinungsumfragen und nicht einmal beim Fußvolk von Berlusconis „Forza Italia“. So kam er auf die Superidee, kraft seines Amtes als Parlamentarier die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen. Der soll, offiziell, „das gesamte Phänomen der Korruption in Italien und die Formen des Kampfes gegen diese“ untersuchen. Doch dahinter, das geben selbst Berlusconis Mannen zu, steht die Absicht, möglichst alle bekannten Strafermittler und Richter in Sachen Korruption, und insbesondere die Staatsanwälte aus Mailand, vor den Ausschuß zu zerren und nun ihnen eine Art Prozeß zu machen. Nach dem Motto: die Anschuldigung kann noch so absurd sein – irgend etwas bleibt hängen. Am Ende wird das Volks glauben, Berlusconi sei tatsächlich ein Opfer böser Verfolger.

Zu Recht hat die regierende Koalition daher das Ansinnen abgewiesen. Mit dieser Einrichtung schüfe man eine verfassungsrechtlich unzulässige vierte Instanz der Justiz. Außerdem sei die Gefahr groß, daß die Kommission laufende Prozesse beeinflusse. Doch auch die Linke wäre nicht die Linke, würde sie nicht voller Inbrunst in nahezu alle von ihren Gegnern aufgestellten Fallen tappen. Statt das Nein sofort zu formulieren, begann ein eifriges Taktieren und ein Gewusel an Kompromißvorschlägen. Und das so lange, bis im Volk die Meinung entstand, so einen Ausschuß könne man machen, wenn man nichts zu verbergen habe. Daß hier die legislative Gewalt erstmals über die judikative zu Gericht sitzen würde, ist aus dem Blick verschwunden. Berlusconi hat gut lachen: Wie die Sache, die Abstimmung ist diese Woche, auch ausgeht – den Schwarzen Peter hat die Koalition. Werner Raith

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