: Junge müssen spielen
Wie das deutsche Tischtennistalent Thomas Keinath versucht, trotz Bosman-Urteil eine Spitzenkraft zu werden ■ Von Frank Ketterer
Karlsruhe (taz) – Allzuviel ist nicht bekannt über Thomas Keinath, weswegen hier und jetzt ein paar Basisdaten genannt seien: 19 Jahre ist er alt, verteilt 59 Kilo Körpergewicht auf 169 Zentimeter Größe, hat vor eineinhalb Jahren seinen Realschulabschluß gebaut und gibt seither als Beruf Tischtennisprofi an. Keinath kocht und ißt bevorzugt chinesisch, fährt gerne auf dem Motorboot seiner Eltern und träumt davon, eines Tages auf einer fetten Harley Davidson durch die Lande zu tuckern; den Motorradführerschein jedenfalls hat er vorsorglich schon gemacht.
Ein anderer Traum von Thomas Keinath ist es, unter die besten 30 der Welt vorzustoßen im Spiel mit dem schnellen Plastikbällchen. Davon ist er im Moment noch ein gutes Stück entfernt, als Nummer 195 wird er in der aktuellen Tischtennis-Weltrangliste geführt, Nummer 126 in Europa macht das, Rang 13 in Deutschland. Damit ist Keinath das, was man im deutschen Tischtennis einen Hoffnungsträger nennt, weshalb er vom Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) für den European Nations Cup am vergangenen Wochenende nach Karlsruhe gerufen worden war. Das DTTB-Team wurde dritter hinter Schweden und Belgien – ohne Keinath allerdings. Der war dabei „zum Lernen und um aus der Rolle auf der Bank zu profitieren für die Zukunft“, wie DTTB-Spitzensportkoordinator Dirk Schimmelpfennig sagt.
Zusammen mit fünf weiteren deutschen Tischtennistalenten bildet Thomas Keinath jene Fördergruppe des DTTB, die eines Tages möglichst nahtlos an die Erfolge der „recht starken Herrengeneration der letzten Jahre“ (Schimmelpfennig) anknüpfen und diese vielleicht schon vor den Olympischen Spielen im Jahr 2000 in Sydney ergänzen soll. Und das wird nötig sein, denn Steffen Fetzner und Peter Franz, die in Karlsruhe spielten, sind ebenso wie der Olympiadritte Jörg Roßkopf, der wegen einer gebrochenen Rippe fehlte, nicht mehr die Allerjüngsten. „Keinath ist einer, dem man den Sprung zutraut“, sagt Schimmelpfennig. Wer aus der Fördergruppe ihn am Ende tatsächlich schafft, könne man derzeit aber noch nicht sagen. „Ich würde mich auf niemanden speziell festlegen. Aber unsere Chance ist, daß wir ein paar Eisen im Feuer haben“, sagt Schimmelpfennig.
Das ist nötig, denn die Luft ist dünn geworden für den Sportnachwuchs in Deutschland, auch im Tischtennis. „Es gibt viele viele gute Spieler“, sagt Keinath, womit er vornehmlich die ausländischen Ballartisten meint, die es jungen Kräften wie ihm so schwermachen, einen Stammplatz in der 1. Liga zu ergattern. Schon jetzt kommt jeder zweite Bundesligaspieler aus dem Ausland. Sollte nächste Saison jenes DTTB-Lizenzstatut fallen, das im Gegensatz zu anderen deutschen Sportverbänden den Ausländeranteil in dieser Runde noch auf je einen EU- und einen Nicht- EU-Ausländer pro Vierermannschaft beschränkt, würde der Verteilungskampf um die Stammplätze noch härter. Und damit ist nicht nur wegen der durch den TTC Grenzau angezettelten Pokal-Farce zu rechnen. Von den sechs Jungs aus der DTTB-Fördergruppe jedenfalls hat heuer lediglich Timo Boll in Gönnern einen Stammplatz sicher.
Keinath selbst lagen zwar Angebote aus der 1. Liga vor, doch so recht gepaßt hat ihm keines davon. „Man muß als junger Spieler viel spielen“, sagt er, garantieren wollte ihm das keiner der interessierten Bundesligisten. Deshalb hat er bei der TTG RS Hoengen angeheuert, dem Tabellenzweiten der Zweiten Liga Nord. Dort hat er seinen Stammplatz und als Nummer zwei zehn seiner 18 Matches in dieser Saison gewonnen.
Wichtig für die Entscheidung, nach Hoengen zu gehen, waren für ihn aber auch die „sehr guten Trainingsmöglichkeiten“. Die Hoengener Tischtennisgemeinschaft kooperiert mit dem Erstligisten TTC Jülich, ist fast so etwas wie dessen Zweitliga-Filiale. So kann Keinath zum Teil in Jülich unter erstklassigen Bedingungen und gegen ebensolche Gegner trainieren, im zehn Kilometer entfernten Hoengen aber garantiert Spielpraxis sammeln. Dazu kommen die Trainingsmaßnahmen und internationalen Einsätze mit dem DTTB, was im Durchschnitt eine Woche pro Monat ausmacht.
Keine schlechte Lösung, wie auch Dirk Schimmelpfennig findet. „Fünf der sechs Jungs aus unserer Fördergruppe haben ähnliche Konstellationen“, sagt er. Trotz des Bosman-Urteils und seiner Auswirkungen sei es auf diese Art möglich, „daß sich junge Spieler so entwickeln können, daß sie sich in der Ersten Liga vielleicht doch irgendwann einen Stammplatz erobern“. „In dem Moment“, sagt der DTTB-Spitzensportkoordinator, „haben sie auch international Perspektiven. Weil auch die Bundesliga international ist.“
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